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8. Februar 2021
Redaktion

Sicherheit vor allem

Wer Arbeits- und Schutzgerüste erstellt oder nutzt, muss sich mit der im Februar 2019 in Kraft getretenen Neufassung der Technischen Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 2121 Teil 1 auskennen. Unser Autor Dr.-Ing. Rolf Sontheimer vom Gerüstspezialist Layher fasst die wesentlichen Änderungen zusammen.
Foto: Layher

Hintergrund der Neufassung der TRBS 2121-1 sind die gesetzlichen Vorgaben des europäischen Arbeitsschutzgesetzes, die in Deutschland durch die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und dem darin enthaltenen gerüstspezifischen Teil der Technischen Regel 2121 für Betriebssicherheit konkretisiert werden. {pborder}

 
Dr.-Ing. Rolf Sontheimer, Layher: „Der Vorrang technischer Schutzmaßnahmen bedeutet eine Überprüfung der Montageabläufe im Gerüstbau – und in vielen Fällen auch eine grundlegende Umstellung der Montageabläufe.“ Foto: LayherWas ändert sich, was hat nach wie vor Bestand?
Die Neufassung hebt den Stellenwert der bislang auch verlangten Gefährdungsbeurteilung hervor und fordert das bekannte TOP-Prinzip – Technische vor Organisatorischen vor Persönlichen Maßnahmen – stärker ein. Neu dagegen ist, dass auf der obersten Gerüstlage für den Horizontaltransport von Gerüstbauteilen bei durchgehender Gerüstflucht mindestens ein einteiliger Seitenschutz oder ein Montagesicherungsgeländer verwendet werden muss – sofern nicht bauliche Gegebenheiten wie Balkone, Erker oder besondere Gerüstbauarten, etwa Hänge- oder Raumgerüste, diese Maßnahmen der Absturzsicherung nicht ermöglichen.
 
Basis ist die Gefährdungsbeurteilung
Wie gewohnt müssen im Fassadengerüstbau im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung geeignete technische, organisatorische oder persönliche Schutzmaßnahmen festgelegt werden. Sie ist die Basis für sicheres Erstellen oder Nutzen des Gerüsts. Eine Gefährdungsbeurteilung und die daraus abgeleitete Festlegung von Sicherheitsmaßnahmen sind laut BetrSichV für jede Baustelle vorgeschrieben. Dazu sind bei der Verwendung von Gerüsten auftretende Gefährdungen zu ermitteln und daraus die notwendigen Maßnahmen für die sichere Verwendung der Gerüste abzuleiten und zu treffen – in Abhängigkeit vom einzurüstenden Objekt, der Gerüstbauart und der Gerüstkonstruktion. Entsprechende Vorgaben finden sich in der TRBS 1111 „Gefährdungsbeurteilung“. Erstellt werden darf eine Gefährdungsbeurteilung nur von einem Fachmann, der sogenannten „Fachkundigen Person“. Sie ist unter anderem auch für die Montageanleitung sowie die Aufsicht der Auf-, Um- und Abbauarbeiten zuständig. Je nach Art der Aufgabe werden unterschiedliche Anforderungen an die fachkundige Person gestellt. Auswahlkriterien sind beispielsweise Berufsausbildung, Berufserfahrung und zeitnahe berufliche Tätigkeit.
 
Gefährdungsbeurteilung online erstellen
Für die einfache Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung bietet die BG Bau die Möglichkeit an, dies online zu erledigen unter: www.bgbau-medien.de/handlungshilfen
 

Sicherung gegen Absturz – das TOP-PrinzipWerden im Gerüstbau für die jeweiligen Montagesituationen oder Tätigkeiten auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung Schutzmaßnahmen erforderlich, so kommen für den Auf-, Um- und Abbau von Arbeits- und Schutzgerüsten technische, organisatorische und personenbezogene Schutzmaßnahmen in Frage. Mögliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr können beispielsweise eine Absturzsicherung wie Abdeckungen, Geländer oder Seitenschutz, Auffangeinrichtungen wie Schutznetze, Schutzwände oder Schutzgerüste oder die Verwendung einer persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) sein. Speziell im Fassadengerüstbau fordert die Neufassung der TRBS 2121-1 das TOP-Prinzip – Technische vor Organisatorischen vor Persönlichen Maßnahmen – noch stärker ein. Montagesituationen ganz ohne Absturzsicherung, wie bisher nach besonderer Unterweisung des Mitarbeiters, werden nicht mehr geduldet. Welche Schutzmaßnahmen im konkreten Fall anzuwenden sind, muss sich aus der Gefährdungsbeurteilung ergeben. Egal welche Schutzmaßnahme zum Einsatz kommt, sollte die regelmäßige Sicherheitsunterweisung der Mitarbeiter, das Anfertigen schriftlicher Gefahrenbeurteilungen und die Festlegung von daraus abgeleiteten Maßnahmen in jedem Betrieb zum täglichen Routineablauf gehören.

Neu: Vorlaufender Seitenschutz!
Gemäß der neuen TRBS 2121-1 ist auf der obersten Gerüstlage für den Horizontaltransport von Gerüstbauteilen bei durchgehender Gerüstflucht mindestens ein einteiliger Seitenschutz oder ein Montagesicherungsgeländer zu verwenden, sofern nicht bauliche Gegebenheiten, beispielsweise Balkone, Erker oder besondere Gerüstbauarten, wie zum Beispiel Hänge- oder Raumgerüste, diese Maßnahme der Absturzsicherung nicht ermöglichen. Dabei gilt es zu beachten, dass auch auf der Innenseite von Gerüsten Absturzgefahren bestehen können – zum Beispiel bei Skelettbauten. Umsetzen lassen sich diese Anforderungen sowohl mit temporären Montagesicherungsgeländern wie dem MSG von Layher als auch mit integrierten Lösungen wie dem I-Geländer für das im Fassadengerüstbau weit verbreitete Layher Blitz Gerüst. 
 
Individueller Schutz wenn Seitenschutz nicht möglich
Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass bei Auf-, Um- und Abbau von Gerüsten die Verwendung eines Montagesicherungsgeländers nicht möglich ist und eine Auffangeinrichtung als technische Schutzmaßnahme ebenfalls nicht in Frage kommt, ist eine geeignete persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) als personenbezogene Schutzmaßnahme zu verwenden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn nach Länge und Höhe keine durchgehende Gerüstflucht ohne Vor- und Rücksprünge vorhanden ist oder bei Raumgerüsten, Gerüsttreppen und Treppentürmen, Überbrückungskonstruktionen, auskragenden Gerüstbauteilen oder bei Hängegerüsten. Die Standardausführung einer PSAgA besteht aus einem Auffanggurt nach EN 361 und einem flexiblen Verbindungsmittel mit integriertem Bandfalldämpfer und Rohrhaken. Alle Einzelkomponenten der Schutzausrüstung müssen EG-Baumuster-geprüft sein und die CE-Kennzeichnung tragen. Mindestens alle zwölf Monate ist die PSAgA von einer sachkundigen Person oder vom Hersteller zu überprüfen.
 
PSAgA fachgerecht verwenden
Geeignete Anschlagpunkte für die PSAgA sind den jeweiligen Aufbau- und Verwendungsanleitungen zu entnehmen. Anschlagpunkte werden durch gerüstspezifische Fallversuche ermittelt und gelten nur für dieses eine Gerüstsystem. Die Verwendung der PSAgA setzt eine besondere Gefährdungsbeurteilung voraus und bedingt eine gesonderte Unterweisung der Beschäftigten in der Benutzung der PSAgA, die auch die Durchführung der erforderlichen Rettungsmaßnahmen beinhaltet. Bei der Nutzung müssen ebenso die Aufbau- und Verwendungsanleitungen der PSA-Hersteller beachtet werden, besonders wenn Auffanggurte mit Gurtbandverlängerungen eingesetzt werden. Dabei muss gewährleistet sein, dass die Arbeiten von fachlich qualifizierten und körperlich geeigneten Personen ausgeführt werden, der Arbeitgeber für diesen Fall eine besondere Unterweisung durchgeführt hat und die Absturzkante für die Personen deutlich erkennbar ist. 
 
Arbeitssicherheit bei der Nutzung von Gerüsten
Nicht nur bei der Montage, auch bei der Nutzung von Gerüsten liegt der Fokus auf dem Punkt „Arbeits- und Betriebssicherheit“. Neben unbeschädigten Bauteilen, vollausgelegten Belagsflächen, dreiteiligem Seitenschutz und einem Wandabstand von maximal 30 Zentimetern ist darüber hinaus auch der Punkt „Aufstieg“ zu beachten. Arbeitsplätze auf Gerüsten dürfen nur über sichere und ergonomische Zugänge betreten werden. Während beim Auf-, Um- oder Abbau von Ge-rüsten der Zugang über innenliegende Leitern – mindestens alle 50 Meter – zulässig ist, darf nach der neuen TRBS 2121-1 der Zugang für Gerüstnutzer nur noch bis zu einer Aufstiegshöhe von fünf Metern oder bei Arbeiten an Einfamilienhäusern über innenliegende Aufstiege erfolgen. Aufzüge, Transportbühnen und Treppen sind bei der Gerüstnutzung gegenüber Leitern grundsätzlich zu bevorzugen. Hierbei handelt es sich laut der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) um eine Leistung, die separat auszuschreiben und abzurechnen ist.
 
Prüfprotokoll für Gerüstersteller: Mit dem Layher Kennzeichnungsblock lassen sich die ordnungsgemäße Montage, Prüfung und Übergabe eines Gerüsts schnell und unkompliziert dokumentieren. Dank Durchschlagpapier stehen beide Formulare den Gerüsterstellern auch für eigene Nachweis- und Dokumentationszwecke zur Verfügung. Foto: Layher
 
Gerüste prüfen und übergeben
Für den Gerüstersteller hat sich am Prüfprozess und an den zur Prüfung befähigten Personen selbst nichts geändert. Nach dem Auf- und Umbau eines Gerüsts hat der Gerüstersteller ein sicheres Gerüst bereitzustellen. Dazu gehört auch der sogenannte „Plan für den Gebrauch“, der allerdings jetzt laut der neuen TRBS 2121-1 auch die Art, Anzahl und Lage der Zugänge zu beinhalten hat, sowie die sachgerechte Kennzeichnung des Gerüsts. Hier muss nach der neuen TRBS 2121-1 künftig auch das Datum der letzten Prüfung vermerkt sein. Den Nachweis, dass das Gerüst sicher ist, kann der Gerüstersteller gegenüber dem Gerüstnutzer durch das Protokoll einer Abnahmeprüfung erbringen. Die Prüfung und Protokollierung hat auch dann zu erfolgen, wenn der Gerüstersteller ein Gerüst für den Gebrauch durch seine eigenen Beschäftigten erstellt. Für Gerüstnutzer ist neu, dass Arbeitgeber, die Gerüste oder Teilbereiche von Gerüsten von Beschäftigten gebrauchen lassen, vor dem Gebrauch eine Inaugenscheinnahme und erforderlichenfalls eine Funktionskontrolle durch eine qualifizierte Person auf offensichtliche Mängel durchzuführen beziehungsweise durchführen zu lassen haben. Hierbei wird die Eignung des Gerüsts für die vorzunehmenden Tätigkeiten und die Wirksamkeit der Schutz- und Sicherheitseinrichtungen kontrolliert. Grundlage der Inaugenscheinnahme ist die Gerüstkennzeichnung und gegebenenfalls das Prüfprotokoll des Gerüsterstellers. 
Dipl.-Ing. Rolf Sontheimer
Der Autor leitet die Technische Abteilung bei der Wilhelm Layher GmbH & Co KG in Güglingen-Eibensbach.
 
Umfassend informiert
Layher bietet seinen Kunden zum Thema TRBS 2121-1 ausführliche Informationsunterlagen als Teil der umfangreichen Technischen Dokumentation, bundesweite Informationsveranstaltungen sowie Webinare und Seminare als Baustein des Layher Seminarprogramms. Das Programm ermöglicht es Gerüstbauunternehmen auch, ihre Mitarbeiter entsprechend zu schulen und zu qualifizieren. Ansprechpartner unter kontakt.layher.com
 
 
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