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1. Januar 2015
Redaktion

Brandschutz bei gedämmten Fassaden

Was für einen Brandschutz bieten unterschiedliche Wärmedämm-Verbundsysteme? ­Welche Lösung sollten Fachhandwerker bei einem konkreten Objekt dem Kunden ­empfehlen? Eine Übersicht über die gängigen Systeme und Baustoffklassen ­verschafft Klarheit.
Foto: Saint-Gobain Weber

Bei der Planung und Ausführung von Fassaden ist der Brandschutz ein wichtiger Aspekt. Die Angst vor Bränden in Wohnhäusern ist tief verwurzelt, entsprechend emotional ist dieses Thema behaftet. Das hat nicht zuletzt die ­Reaktion auf einige Medienberichte im vergangenen Jahr über das Brandverhalten von Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) gezeigt. Seither müssen Fachhandwerker verunsicherten Kunden vermehrt Fragen zum Thema Brandschutz beantworten. Doch nicht nur in solchen Situationen ist ein tiefergehendes Wissen gefragt. Gerade bei kleineren Objekten wird der Brandschutz oftmals nicht durch den Planer oder ein entsprechendes Gutachten vorgegeben. In diesen Fällen liegt die gesamte Verantwortung für eine korrekte Beratung und Ausführung beim Handwerker.

Baustoffklasse bestimmt Sicherheitsniveau

Grundsätzlich muss jedes WDVS bauaufsichtlich zugelassen werden, um auf den Markt zu gelangen. Bestandteil der Zulassung sind umfangreiche Brand­sicherheitsprüfungen, nach denen das System ­einer bestimmten Baustoff­klasse zugeordnet wird. Zwei Baustoffklassen sind für den Brandschutz von Fassaden maßgeblich: A1/A2 – »nicht brennbar« und B1 – »schwer entflammbar«, wobei A1 das höchste Sicherheitsniveau bietet. Bei manchen Systemen wird bereits die ­Euroklasse mit angegeben, die künftig die nationale Klassifizierung ablöst. Die Entscheidung für eine bestimmte Baustoffklasse und ein entsprechendes ­System richtet sich nach der Art und Nutzung des Gebäudes sowie dem individuellen Sicherheitsbedürfnis. Hierbei ist die Gebäudehöhe von ­Bedeutung: Je höher das Gebäude ist, desto strenger sind die Anforderungen an den Brandschutz. Ab 22 Metern müssen generell Systeme der Baustoffklasse A verwendet werden; Einzel­heiten regeln die jeweiligen Landesbauordnungen. Wichtig ist zudem, dass sich die Baustoffklassen nicht allein auf den Dämmstoff beziehen. Die bauaufsichtliche Zulassung gilt nur, wenn das vollständige System mit allen vorge­sehenen Einzelkomponenten zum Einsatz kommt. Erst dann ist Verlass auf die angegebene Baustoffklasse des Wärmedämm-Verbundsystems.

Auf Nummer sicher: vollmineralische WDVS

Die höchsten Anforderungen in Sachen Brandschutz erfüllen vollmineralische Wärmedämm-Verbundsysteme. Bei dem Dämmstoff handelt es sich um nicht brennbare Steinwolle. Ebenso bestehen Klebe- und Armierungsmörtel sowie der Oberputz aus mineralischen, nicht brennbaren Rohstoffen wie beispielsweise Quarzsand, Kalkhydrat, Weiß­zement und Jurakörnung. Folglich ­werden vollmineralische Systeme in die Baustoffklasse A1 eingruppiert. Sie ­eignen sich insbesondere für Gebäude, bei denen der größtmögliche Brandschutz zur Pflicht gehört, wie Schulen oder Krankenhäuser. Auch Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen setzen zunehmend auf vollmineralische Systeme, da die Bewohner häufig in ihrer Mobilität eingeschränkt und somit im Brandfall besonders bedroht sind. Aber auch im Wohnungsbau steigt aufgrund des ­demografischen Wandels und dementsprechend immer mehr betagten Hausbesitzern und Mietern der Bedarf nach nicht brennbaren Lösungen. Nicht ­zuletzt erleichtert das hohe Sicherheitsniveau vollmineralischer Systeme deren Planung und Verarbeitung. Die Brandschutzkonstruktion ist denkbar einfach, da sie keine aufwendige Detailausbildung erfordert. Im Gegensatz zu anderen Dämmsystemen kommen vollmineralische Lösungen ohne zusätzliche Brandriegel aus. Sie können zudem auch bei Hochhäusern mit einer Gebäudehöhe bis zu 100 Metern problemlos eingesetzt werden. Und auf einem ­mineralischen Wandbildner, wie zum Beispiel Ziegel oder Bims, erzielt man mit vollmineralischen Systemen einen bauphysikalisch vorteilhaften, homo­genen Aufbau, bei dem alle Bestand­teile einen ähnlichen Diffusionswiderstand aufweisen.

Schwer entflammbar: Polystyrol und Resol-Hartschaum

Der am weitesten verbreitete Dämmstoff bei Wärmedämm-Verbundsystemen ist expandiertes Polystyrol, kurz EPS. Seine Beliebtheit resultiert aus ­einer hohen Dämmleistung und Wirtschaftlichkeit. Beim Brandschutz schneidet er allerdings schlechter ab als die mineralische Alternative. WDV-­Systeme auf Basis von EPS erreichen die Baustoffklasse B, wobei die genaue Einstufung auch von der Dämmstoffdicke abhängt. Ab 100 Millimetern müssen zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, um die Baustoffklasse B1 zu erhalten. Die EPS-Dämmung erhält dann Barrieren aus dem nicht brennbaren Dämmstoff Mineralwolle, die im Falle eines Brandes das Übergreifen der Flammen auf die gesamte Fassade verhindern. Dabei ist die gängigste Me­-
t­hode, um das gesamte Gebäude horizontal umlaufende Brandriegel aus ­Mineralwolle – so genannte Bauch­binden – aufzubringen. Allerdings ist diese Vorgehensweise bei Fassaden­elementen wie Erkern und Loggien sehr aufwendig. Als weitere Möglichkeit können Stürze und Leibungen mit ­Mineralwolle gedämmt werden, insbesondere, um ein Überschlagen der Flammen von den Innenräumen durch die Fensteröffnungen zu verhindern. Darüber hinaus gibt es Sonderlösungen wie zum Beispiel Panzereckwinkel, die vor und nach dem Kleben der Dämmplatten im Sturz angebracht werden können. Im Zusammenspiel mit einer dickschichtigen mineralischen Armierung wird auf diese Weise ein aus­reichender Schutz für die Dämmschicht erzielt, so dass diese im Brandfall nicht schmelzen und abtropfen kann.
Wer diesen Aufwand vermeiden ­möchte, kann auch auf WDV-Systeme mit dem Dämmstoff Resol-Hartschaum zurückgreifen. Das Material ist glut­beständig und erfordert bis zu einer Dämmstoffdicke von 240 Millimetern keine zusätzlichen Maßnahmen. Die ­Systeme werden in die Euroklasse B-s1, d0 eingruppiert, die das Sicherheits­niveau der Baustoffklasse B1 über­erfüllt. Darüber hinaus zeichnet sich Resol-Hartschaum durch sehr gute Wärmeleitwerte aus.

Fazit

Alle Wärmedämm-Verbundsysteme von Marken-Herstellern werden im Rahmen der bauaufsichtlichen Zulassung diversen Brandschutztests unterzogen. Diese Systeme sind umfassend geprüft und sollten stets mit den vorgesehenen ­Einzelkomponenten zur Anwendung kommen. Andernfalls ist die angege­bene Baustoffklasse nicht mehr nachgewiesen. Bei Fassaden, die mit EPS-­Systemen gedämmt sind, müssen abhängig von der Gebäudehöhe, Dämm- stoffdicke und Gebäudenutzung zusätzliche Maßnahmen zum Brandschutz ergriffen werden. Eine Alternative bilden in diesem Bereich Resol-Hartschaum-Systeme. Die »Bestnote« A1 erreichen nur vollmineralische Wärmedämm-Verbundsysteme auf der Basis von Mineralwolle. Bei Objekten, in denen der höchste Brandschutz erfordert oder ­gewünscht ist, sollte auf diese Lösungen zurückgegriffen werden.

Georg Kolbe,
Leiter Produktmarketing Fassade/Wand, Saint-Gobain Weber

Foto: kuraphoto/AdobeStock_428914080
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