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7. Juli 2022
Redaktion

Tierwelt und Fassadenarbeiten

Wer an Gebäuden zu tun hat, trifft nicht selten auf tierische Bewohner, die auf Simsen, Dachunterständen, Balkonen, in Firstziegeln oder an der Fassade leben. Für Handwerker und Planer gibt es hier einiges zu beachten, denn viele wild lebende Tiere stehen nach dem Bundesnaturschutzgesetz unter Schutz. Ein Bericht aus einer Infoveranstaltung.


Foto: Rainer Altenkamp

Mauersegler, Mehl- und Rauchschwalben und der Haussperling, besser bekannt als Spatz – das sind nur einige Arten, die auch an Gebäuden leben. So wie viele Fledermausarten. Die Höhlen- oder Nischenbrüter brüten in Astlöchern von Bäumen, in Felsnischen oder Steilwänden, aber auch in Ersatzlebensräumen in menschlichen Siedlungen. Dort finden die sogenannten „Kulturfolger“ meist auch ein breites Nahrungsangebot. Denn durch eine immer intensivere Landwirtschaft, durch Versiegelung und Abholzung gehen wertvolle Lebensräume und Nahrungsquellen (Habitate) für Insekten verloren – und somit die Nahrungsgrundlage von Vögeln und Fledermäusen. Die Malerinnung Berlin engagiert sich gemeinsam mit dem Naturschutzbund (NABU) Berlin zum Thema „Artenschutz am Gebäude“.

Geschützt laut Bundesnaturschutzgesetz

Kulturfolger besiedeln Schadstellen an Gebäuden, beispielsweise im Dachkasten, sie nisten hinter Regenfallrohren oder in kaputten Lüftungen. Sehr beliebt ist auch die letzte Dachpfannenreihe. „Fledermäuse finden in Fassadenlöchern, hinter Verblendungen oder in der schmalsten Mauernische Platz, ein daumenbreiter Spalt genügt. Wenn nun der Stuckateur, Maler oder Gerüstbauer mit seinem Gerüst anrückt, etwa um eine Wärmedämmung anzubringen, ist der Konflikt da“, sagt Imke Wardenburg vom NABU Berlin. Denn die meisten Vogelarten sowie alle 25 heimischen Fledermausarten stehen unter Naturschutz.

{pborder}Laut Kapitel 5 § 44 Abs. 1 Nr. 1-3 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatschG) sind wild lebende Tier- und Pflanzenarten, ihre Lebensstätten und Biotope geschützt. „Das bedeutet, dass nicht nur die Tiere und ihre Lebensstätten geschützt sind, sondern auch ihre Gelege, die Eier und sogar leere Nester. Das Entfernen ist verboten“, erläutert Nina Dommaschke, Rechtsexpertin beim NABU Berlin. Ein Nest kann ein aufwändiges Bauwerk sein, so bauen beispielsweise Rauchschwalben Nester aus Lehm, die sie immer wieder neu beziehen, wenn sie aus ihren Überwinterungsgebieten zurückkommen.

Grafik: Energieinstitut Hessen

Es darf kein Konflikt sein

Sanierung, Renovierung und Dämmung sind laut NABU zu 72 Prozent an der Zerstörung von Lebensstätten beteiligt. Abriss, Abbruch und Rückbau zu 14 Prozent und Neu- und Umbau zu fünf Prozent. Gleichzeitig ist die energetische Sanierung für den Klimaschutz -enorm wichtig. Man wolle keinen Green-Green-Konflikt, also Artenschutz versus Klimaschutz, wenn es um die CO2-Minderung durch Sanierung von Schadstellen geht, betont der NABU. Umso wichtiger, Sanierung und Artenschutz gemeinsam möglich zu machen, mit Rücksichtnahme und den -naturschutzfachlich vorgegebenen Vorgehensweisen und Maßnahmen. Bei Neubauten gibt es übrigens Animal-Aided Design, das Schutzmaßnahmen für Tiere einbezieht und Lebensstätten vorsieht.

Gutachter einschalten, sichergehen

Das BNatschG kennt drei zentrale Verbotstatbestände, das Tötungsverbot für besonders geschützte Arten (alle wild lebenden Vögel und Fledermausarten), das Störungsverbot für streng geschützte Arten (viele Vogelarten und alle Fledermausarten) sowie der Schutz der Lebensstätten. Ein Verstoß gegen diese Verbots-tatbestände stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und es kann ein Bußgeld bis 50000 Euro verhängt werden. Verstößt man gegen das Tötungsverbot, indem man z. B. Gelege zerstört, kann dies sogar als Straftat geahndet werden und es können Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von drei bis zu fünf Jahren drohen.

„Daher gilt, wer auf der Baustelle einen Vogel beim Brüten antrifft oder ein leeres Nest vorfindet, sollte alles stehen und liegen lassen und einen Gutachter einschalten. Besser ist es aber diesen schon vor Beginn der Bauarbeiten, in der Planungsphase zu beauftragen, um festzustellen, ob sich Lebensstätten an dem betroffenen Gebäude befinden. Ansonsten droht ein Baustopp bis zum Ende der Brutzeit bzw. der Anwesenheitszeit des Tieres oder der Tiere“, rät Rainer Altenkamp, selbst Gutachter und Vorsitzender des NABU Berlin. Ist auch nur eine einzige Lebensstätte vorhanden, braucht es eine Kartierung, also eine vollständige Erfassung aller Lebensräume und Individuen am Gebäude. Zudem gilt: Den Zugriff auf leere Lebensstätten hat nur der Fachgutachter oder ein Dritter nach dessen Freigabe!

Spechtlöcher in der Fassadendämmung

Wenn die Vögel keine morschen Bäume mehr finden – es werden immer mehr aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht gefällt – suchen sie Ersatz und finden diesen in der Wärmedämmung. Die eignet sich gut, um eine Nisthöhle zu bauen. Außerdem klingt die Dämmung hohl wie ein morscher Baum und eignet sich daher prima als Spechttrommel zur Revierabgrenzung, vor allem im Frühjahr und Herbst. Auch Spechtlöcher an Gebäuden, wenn sie als Nist- und Zufluchtstätten durch andere Vögel, wie zum Beispiel Spatzen genutzt werden, sind nach BNatschG geschützt. Die Zerstörung der Lebensstätte oder eine Veränderung ist verboten, es gelten die oben angeführten Strafen. Generell sind alle Maßnahmen in der Brutzeit der Spechte von April bis August verboten.

Vor dem Verschließen von Spechtlöchern in der Fassade muss ein Sachverständiger eingeschaltet werden, um sicherzustellen, dass es sich dabei nicht um Nisthöhlen handelt. Denn es ist leider schon vorgekommen, dass Spechtküken und ein Elternteil lebendig eingemauert wurden.

„Werden Spechtlöcher verschlossen, kommen die Spechte wieder und hacken daneben ein neues Loch in die Fassade“, weiß Rainer Altenkamp. Er rät: „Wenn es nur ein oder zwei Löcher sind, lassen Sie diese und beobachten sie. Wenn es nicht mehr wird, ist es das Beste, damit zu leben.“

Spechtlöcher lassen sich kaum vermeiden

Vergrämungsmaßnahmen wie Unruhe oder Attrappen von Feinden oder Artgenossen haben schnell einen Gewöhnungseffekt. Weniger gefährdet ist die Mineralwolldämmung, aber auch die ist nicht spechtsicher. Spechte hacken vor allen an Gebäudeecken, denn dort haben sie einen guten Überblick über zwei Gebäudeseiten. Auch fensterlose Fassadenbereiche nahe an Bäumen oder Grünanlagen sind beliebt.

 

Tabelle: Energieinstitut Hessen  

Spechte bevorzugen Fassaden mit Rauputz, da sie sich dort besser festhalten können, es genügen Putzkörnungen von zwei bis drei Millimetern. Eine Maßnahme kann daher sein, glatte Materialien wie Verkleidungen aus Metall, Acryl, Kunststoff oder glatt beschichtete Faserzementplatten an den Gebäudeecken anzubringen, an denen sich der Specht nicht festhalten kann. Aber auch das hilft nur bedingt. Effektiver ist eine Fassadenbegrünung, denn Spechte bevorzugen in der Natur glatte Stämme und meiden dichtes Strauchwerk.

Ideal ist, Alternativen zu bieten

Bei neuem oder vorhandenem WDVS bieten Hersteller wie Sto oder St. Gobain Weber eigene Nistkastenkonstruktionen, die direkt in die Dämmung eingebaut werden können. Die sind mit isolierendem Material umgeben, so dass keine Wärmebrücken entstehen. Es empfiehlt sich, Abstand zu energetisch sensiblen Eckbereichen zu halten. Alternativ lassen sich Nisthilfen für Vögel und Fledermäuse an Stellen ohne Wärmedämmung anbringen, wie etwa an Balkonen.

Bärbel Daiber

Nistkästen aufhängen, Ersatz anbieten

Grundsätzlich gilt das Vermeidungsgebot von Eingriffen in die Natur, also keine Zerstörung oder Beeinträchtigung der Lebensstätten, sondern der unbedingte Erhalt. Kann ein Eingriff nicht vermieden werden, gilt es diesen zu minimieren. Um das zu klären ist frühzeitig vor Baubeginn ein Sachverständiger einzuschalten, mit dem gemeinsam nach Lösungen gesucht wird. Grundsätzlich sollte immer versucht werden, außerhalb der Brutzeit zu bauen. Sollte das Bauvorhaben nur im Sommer möglich sein, muss frühzeitig nach Lösungen gesucht werden, indem z. B. Brutnischen vor der Fortpflanzungssaison verschlossen werden. Es gibt aber auch die Möglichkeit, Ersatz zu schaffen, als sogenannte vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (CEF). Diese müssen unbedingt vor dem Beginn des Eingriffs, also der Baumaßnahme in direkter funktionaler Beziehung erfolgen. Die Wirksamkeit von CEF-Maßnahmen muss vor dem Eintreten des Verlustes gewährleistet sein und durch ein Erfolgsmonitoring bestätigt werden, um ggf. nachgebessert zu werden.

Diese Ausnahmeregelungen im BNatschG greifen bei überwiegend öffentlichem Interesse wie Wohnraumbeschaffung oder Klimaschutz. Dazu zählt auch die energetische Sanierung.

Die Festlegung eines ökologischen Ausgleichskonzepts erfolgt durch Sachverständige. Dabei werden neue Lebensstätten in der Nähe als Ersatz gesucht. Hierfür muss kein Antrag auf Ausnahmezulassung nach § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatschG gestellt werden, es braucht aber die Zustimmung der Naturschutzbehörde. Ersatz sind außen an der Fassade angebrachte Nist- und Quartierhilfen in Form von Nistkästen aus Holzbeton oder individuelle bauliche Konstruktionen unter Nutzung vorhandener Strukturen. Der Ausgleich erfolgt 1:1 zu den zu ersetzenden Lebensstätten. Die Durchführung der Ersatzmaßnahme muss vom Sachverständigen mit Abnahmeprotokoll dokumentiert werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Foto: kuraphoto/AdobeStock_428914080
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