Anstrich statt Fliesen
Anstriche tragen in Feuchträumen wirtschaftlich zu einem attraktiven
Erscheinungsbild bei. Neben ausreichender Feuchteresistenz und Abrieb-beständigkeit ist auf vorbeugenden Schutz vor Schimmelpilz zu achten.
Die Zeiten reiner »Fliesentempel« sind zumindest bei haushaltsüblichen Feuchträumen vorbei. Zunehmend bestimmen bunte Wandanstriche das Erscheinungsbild von Küche und Badezimmer. Wesentliche Gründe sind geringere Kosten und der Wunsch nach einem besonders individuellen Raumambiente. Während früher die Funktionalität bei Feuchträumen im Vordergrund stand, ist heutzutage auch hier hohe Raumbehaglichkeit gefragt. Gerade Badezimmer entwickeln sich im hochwertigen Wohnungsbau immer mehr zu »Wellness-Oasen«.
Nassabriebbeständigkeit berücksichtigen
Bei Anstrichen in Feuchträumen ist eine hohe Feuchteresistenz der eingesetzten Farbe zwangsläufig Voraussetzung. Um zudem dauerhaft die Qualität der Wandbeschichtung sicherzustellen, muss bei der Auswahl der Farbe auf einen für den Untergrund geeigneten, reinigungsfähigen Anstrich geachtet werden. Zentrales Kriterium für die Reinigungsfähigkeit von Farben ist die Nassabriebbeständigkeit nach DIN EN 13300. Die Norm teilt sie in fünf Klassen ein. Die Basis des Mess- und Klassifizierungverfahrens bildet der Schichtdickenabtrag in Mikrometer (0,001 mm) bei einer definierten Scheuerzyklenzahl (Hübe) von 200 bei Standard- und Premiumfarben und von 40 Scheuerzyklen bei abriebschwächeren Farben (siehe Tabelle).
Für häusliche Feuchträume sind nur Anstriche geeignet, die mindestens der Nassabriebbeständigkeitsklasse 3 zugeordnet werden können. Ist mit schwierig zu entfernenden Verunreinigungen wie in der Küche zu rechnen, empfiehlt sich ein scheuerbeständiger Anstrich der Klasse 2 und bei besonders strapazierten Wandflächen sogar der Klasse 1.
Scheuerbeständigkeit in Küche gefordert
Bei Anstrichen in Küchen ist die Reinigungsfähigkeit der Wandfarbe aus hygienischer Sicht von besonderer Bedeu-tung. Fett- beziehungsweise Saucenspritzer sind beim Zubereiten, Transport und Verzehr von Speisen fast unvermeidlich. Deshalb wird in verschmutzungsanfälligen Wandbereichen gerne auf scheuerbeständige Latexfarben zurückgegriffen. Der Begriff »Latexfarbe« ist in keiner Norm definiert. Moderne Latexfarben sind gegenüber den klassischen Latexfarben, die wirklich natürliches Latex enthalten, mit Kunstharz als Bindemittel ausgestattete, scheuerbeständige Dispersionsfarben der Nassabriebbeständigkeitsklassen 1 und 2.
Diese unechten Latexfarben sind in der Regel im Gegensatz zu echten Latexfarben bei einer Renovierung problemlos mit einer Dispersionsfarbe zu überstreichen. Man sollte dabei aber den Glanzgrad beachten. Eine hochglänzende Latexfarbe ist möglichst nicht mit einer matten Farbe zu beschichten. Aufgrund der feinen Körnung kann die Haftung unzureichend sein. Im Zweifelfall ist die alte Farbschichtoberfläche beispielsweise mit einem Schleifpapier aufzurauen.
Aufpoliereffekt
Auch der erforderliche Reinigungsaufwand wird bei einem Anstrich maßgeblich von seinem Glanzgrad beeinflusst. So lassen sich matte Innenfarben oft nur schwierig reinigen, weil sich durch die offenporige Oberfläche die Schmutzpartikel in ihrem Porengefüge quasi einlagern. Eine gründliche Entfernung des Schmutzes ist oft nur durch das Abscheuern der Farbschichtoberfläche zu erreichen. Hierbei entsteht der sogenannte »Aufpolier-Effekt«, durch die Reibung kommen die hellen Füllstoffe der Farbe zum Vorschein. Es bildet sich eine auffallend glänzende Stelle in der Beschichtung, die das Erscheinungsbild der Wand beeinträchtigt.
Zur Vermeidung sind in der Küche möglichst nur glänzende Farben zu verwenden oder zumindest Farben der Kategorie »mittlerer Glanz« nach der Glanzgrad-Klassifizierung der DIN EN 13300. Sie verfügen über eine dichte, glatte und somit weitgehend Schmutzpartikel abweisende Oberfläche.
Photokatalytische Farben im Trend
Die Entwicklung ist bei den Innenwandfarben nicht stehen geblieben. Zunehmend beliebter werden im Küchenbereich photokatalytisch wirkende Anstriche, die Schadstoffe und unangenehme Gerüche abbauen. Als Katalysator fungieren enthaltene Titandioxid-Weißpigmente mit einer speziellen feinteiligen Struktur. Sie können laut Hersteller mit Hilfe des Sonnenlichtes und sogar bei künstlicher Beleuchtung aufgenommene Gerüche und Schadstoffe aus der Luft ebenso wie Mikroorganismen in neutrale Stoffe aufspalten. Die Wirkungsweise soll bei hochwertigen photokatalytischen Farben zumindest theoretisch über ihre gesamte Lebensdauer erhalten bleiben.
Ein Grund der erhöhten Nachfrage nach solchen geruchsbekämpfenden Anstrichen ist auch die moderne offene Bauweise. Die abbauende Fähigkeit kann bei Wohnungen, bei der Küche und Essbereich in den Wohnbereich integriert sind, für geruchsempfindliche Gebäudenutzer ein ausschlaggebender Auswahlfaktor sein.
Badezimmer besonders anfällig
Schimmel stellt nicht nur einen optischen Makel dar, sondern birgt bekanntlich gesundheitliche Risiken für den Raumnutzer. Die Gefahr der Schimmelbildung ist speziell im Badezimmer besonders groß, weil es regelmäßig über längere Zeiträume feucht ist und gerade hier meist nicht regelmäßig gelüftet wird. Die Diffusionsfähigkeit von Wand und Anstrich ist deshalb von besonderer Bedeutung. Dadurch kann überschüssige Luftfeuchte in der Badezimmerwand zwischengespeichert und ausgetrocknet werden. Somit findet quasi eine automatische Regulierung der Luftfeuchtigkeit statt.
Damit ist es insbesondere bei Bade-zimmern aufgrund der gegenüber Küchen deutlich höheren Feuchtebelastung beim Schimmelschutz nicht getan. Speziell bei der Badsanierung wird oft auf sogenannte Antischimmelfarben vertraut. Sie versprechen nicht nur sicheren vorbeugenden Schutz vor Schimmelpilzen sondern bekämpfen Schimmelsporen aktiv. Praktisch jeder Farbenhersteller hat fungizid wirkende Feuchtraumfarben mit schimmelresis-tenten beziehungsweise Schimmel bekämpfenden Inhaltsstoffen im Angebot. Dazu gehören abhängig vom Untergrundmaterial und Zustand der Wandoberfläche auch erforderliche Grundierungen sowie Vor- und Zwischenanstriche. Um eine fachgerechte Ausführung der Wandbeschichtung zu gewährleisten, haben Planer und Verarbeiter die Verarbeitungshinweise der Hersteller sorgfältig zu beachten. Dadurch können sie sich bei späteren Reklamationen des Auftraggebers Ärger ersparen.
Auf Inhaltsstoffe achten
Bei der Auswahl von Innenwandfarben muss die gesundheitliche Unbedenklichkeit ihrer Inhaltsstoffe immer im Vordergrund stehen. Grundsätzlich ist auch bei der Gefahr von Schimmelbildung nur so viel Chemie wie unbedingt nötig einzusetzen. So ist ein Anstrich mit einer waschbeständigen Kalkfarbe ein bewährtes naturgerechtes Mittel gegen Schimmel, weil durch ihre Alkalität den Schimmelsporen das Ansiedeln und der Wachstum erschwert wird.
Echte Kalkfarben kommen ohne chemische Zusätze aus und sind frei von organischen Lösungsmitteln, Weichmachern und Konservierungsstoffen. Allergische Reaktionen des Bewohners durch chemische Inhaltsstoffe werden mit hoher Sicherheit ausgeschlossen. Das Haftvermögen von Kalkfarben ist bei einer fachgerechten Untergrundbehandlung ebenfalls ausreichend. Die Beschichtungsfähigkeit unterscheidet sich nicht wesentlich von anderen Feuchtraumanstrichen. Geeignete Untergründe sind alle unbehandelten mineralischen Putze, aber auch Beton, Mauerwerk sowie Gipsfaser- und Gipskartonplatten. Auf für Kalkfarben nicht geeigneten Untergründen wie Leim- und Ölfarben sowie allen saugfähigen Untergründen mit Ausnahme von bestehenden Altanstrichen und frischen Kalkputzen ist eine Grundierung vorzunehmen.
Unbedenkliche Silikatfarben
Bei Anstrichen auf Untergründen mit Strukturunterschieden oder Gipsspachtelstellen empfiehlt sich ein Zwischen-anstrich. Zum Erreichen der vollen Deckkraft der problemlos in allen Farbtönen zu tönenden Kalkfarben sind mindestens zwei Anstriche erforderlich. Eine effektiv die Schimmelgefahr reduzierende und gesundheitlich unbedenkliche Alternative kann ebenfalls der Einsatz von Silikatfarben sein. Ihr dauerhaft hoher pH-Wert von 11 entspricht dem alkalischen Wert einer Seifenlauge. Dadurch gedeihen Schimmelpilze auch auf Silikatanstrichen nur sehr schlecht.
Hans Gerd Heye
Fachjournalist
Abbildungen: Xella Ausgabe: 9/2012