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6. Juni 2017
Redaktion

Unternehmerische Unabhängigkeit

Beim Thema Unabhängigkeit denkt man zwangsläufig an mehr Geld. Viele Menschen wünschen sich das. Finanziell abgesichert und alles ist gut. Wer jedoch üppig Gewinn ­erwirtschaftet, arbeitet meist sehr viel und sehnt sich nach mehr Zeit für sich. Genug Geld oder genug Zeit – damit verbunden ist der Wunsch, sich frei zu ­fühlen. Um wirklich autark zu sein, braucht es mehr.


Viele
Foto: Fotolia

Für viele Menschen ist das eigene Unternehmen der beste Weg zur persönlichen Unabhängigkeit. Denn die eigene Firma bietet gute Chancen, als eigener Herr nicht für andere ­zu arbeiten, selbst über den ­Tagesablauf ­bestimmen zu können und nicht für Fehler anderer den Kopf hinhalten zu müssen. Beruflich auf eigenen Beinen zu stehen heißt, eigene Ideen umzusetzen. Stärken und Potenziale auszuschöpfen, um persönlich zu wachsen. Vergleichbare Motive treiben viele Selbstständige an. Letztendlich soll damit erreicht werden, ein zufriedenes und möglichst ausgefülltes Leben zu haben.

Das klingt gut und theoretisch sollte man als Unternehmer vergleichbare Ziele und Freiheiten haben. Die Praxis sieht jedoch oft anders aus. Gerade bei Unternehmerfamilien in kleinen Handwerksbetrieben. Dort ist der Alltag ­geprägt von Phasen hoher Arbeitsbelastung, Zeitmangel, ungesundem Stress oder Monaten mit wenig Umsatz. Nicht wenige kommen sich vor, als würden Sie in einer Falle sitzen. Das kann auf Dauer frustrieren. Das Thema Umsätze und Ertrag spielt deswegen eine wichtige Rolle, weil Geld monetäre Sicherheit vermittelt. Finanzielle Unabhängigkeit gibt die Freiheit, Dinge tun zu können, die einem wichtig sind.

60 bis 70 Stunden-Woche

Zu Recht gibt es wie in jeder Branche sehr viele, finanziell unabhängige Unternehmer. Erfolgreiche Geschäftsleute verdienen Jahr für Jahr viel Geld. Die Schulden sind bezahlt. Für die Altersvorsorge und den Ruhestand bleibt genug übrig. An materiellem Wohlstand mangelt es auch nicht. Soweit alles gut. Jedenfalls dann, wenn andere Dinge nicht auf der Strecke bleiben. Gemeint ist der zeitliche Aufwand bei dauerhaften 65 bis 70 Stunden pro Woche. Samstage und Sonntage mit berücksichtigt.

Und damit sind wir beim zweiten Punkt, der zeitlichen Freiheit. Vom Terminkalender und den betrieblichen Verpflichtungen getrieben, opfern sich die Macher von morgens bis abends für den Betrieb auf. Freiräume und Aktivitäten ­außerhalb der Firma gibt es wenig. Kost­bare Zeit, die dabei verloren geht, wird gerne mit Luxusgütern, Partys oder anderen Dingen kompensiert. Mit Freiheit hat das nicht viel zu tun.

Gefangen im eigenen Kopf

Zeitsouveränität ist ein kostbares Gut. Nur wenn genügend Zeit zur Verfügung steht, kann man Kraft tanken. Sich um die Familie kümmern. Über die Firma nachdenken. Sich weiterentwickeln. Umgekehrt führen fehlende zeitliche Freiräume zum Reagieren statt zum Agieren. Die Grenzen zwischen Privatleben und Firma lösen sich auf. In solchen Phasen kommt man nicht mehr zur Ruhe: der Nährboden für Überbelastung, Konflikte, Stress und schließlich Erschöpfung. Spätestens dann ist die Zeit reif, einen Gang zurückzuschalten und die Arbeitsmenge zu reduzieren beziehungsweise Auf­gaben teilweise oder ganz abzugeben.{pborder}

Die Kunst, sinnvoll zu delegieren, ­beherrschen nicht viele. Nur wenn man Mitarbeitern Verantwortung überträgt, wachsen sie. Nicht, wenn man ihnen nichts zutraut. Es gibt viele Dinge, die laufen zum großen Teil auch ohne ihr Zutun. Hierzu muss man sich jedoch im Kopf frei machen können.

Souveränität erlangen

Tatsächlich befinden sich viele Bauhandwerker in einem mentalen Zielkonflikt. Sie fühlen sich als Getriebene des eigenen Unternehmens. Verbunden mit dem ständigen Gefühl, den Aufgaben hinterherzulaufen. Wird nicht von 6 Uhr bis 19.00 Uhr gearbeitet, kommt das schlechte Gewissen. Anstatt zu über­legen, wie Ziele erreicht werden können, wird nur an die Arbeiten gedacht, die als nächstes dran sind. Und das Tag für Tag. Woche für  Woche. Im Kopf gefangen in den über Jahre antrainierten Vorstellungen darüber, wie der Berufsalltag zu sein hat. Obwohl man Unternehmer sein will, wird gehandelt wie ein Arbeitnehmer.

Wer gedanklich gefangen ist, ist nicht frei. Unabhängigkeit hat insofern auch maßgeblich mit einer inneren Einstellung zu tun. Persönliche Freiheit ist ein Gefühl, das im Kopf entsteht. Egal, wie viel Geld oder Zeit man hat. Geistige Souveränität ist deshalb wichtig, um sich nicht von den Vorstellungen anderer lenken zu lassen.

Smart, aber abhängig

Unsere Gesellschaft verändert sich ­gegenwärtig radikal. Unsere Konsum­abhängigkeit beginnt schleichend damit, die Selbstbestimmung für ein bisschen mehr Bequemlichkeit freiwillig aufzu­geben – nahezu unsichtbar. Das Private verschwindet, die Fremdsteuerung wächst. Statt die Chance der Unabhängigkeit zu nutzen, die in der Vergangenheit hart erkämpft wurde, lassen wir uns die Selbstbestimmung durch eine unsichtbare Industrie abnehmen, deren Lieblingswort »smart« ist. Besonders ­bedenklich wird es, wenn das alles nicht bemerkt wird. In der digitalen Entmündigung überschneiden sich Kontrolle und Konsum.

Beschleunigt wird diese Entwicklung durch die wachsende Marktmacht vieler Großkonzerne. Die Monopolisierung der Märkte und immer mehr Firmenfusionen schränken die Vielfalt der Marktteilnehmer ein. In der Landwirtschaft geht diese Entwicklung durch die Abhängigkeit von Saatgut beispielsweise bereits so weit, dass die Bauern mit ihrem scheinbar unabhängigen Image akzeptieren müssen, dass die Konzerne die Buchhaltung einsehen, Pflanzenproben entnehmen, auf Informationen des Anbaus zurückgreifen oder die Felder inspizieren. Zu welchen Herausforderungen dies führt, zeigt die Abhängigkeit der Kleinbauern vor allem in ärmeren Ländern dieser Welt.

Gefühlssache

Geistige Autonomie, zeitliche Freiräume und finanzielle Unabhängigkeit sind drei entscheidende Faktoren für persönliche Freiheit. Wie viel Geld notwendig ist, damit man finanziell unabhängig ist, wie viel zeitlichen Freiraum der Einzelne braucht, damit das Leben in Balance ist –all das ist letztlich nichts anderes als ein Gefühl. Es liegt an jedem selbst, welche Bedeutung das Geld, die Zeit, oder das Leben an sich für einen hat.

F. Helfensteiner

 

Ausgabe 06 / 2017

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