Ein sehr guter energetischer Standard „kostet“ unter Umständen während der Bauphase mehr Energie und Ressourcen, bedeutet jedoch während der Nutzung einen deutlich reduzierten Heizenergiebedarf und damit reduzierte CO2-Emissionen (weniger „ökologisches Bauen“, mehr „ökologisches Wohnen“). Übertragen auf Wärmedämmungen: der Einbau von Dämmstoffen ist zunächst mit einem Aufwand verbunden. Das bedeutet den Einsatz von Rohstoffen, Energie und Wasser für die Dämmstoffproduktion. Während des Wohnens oder der Nutzungsphase wird hingegen erheblich weniger Energie verbraucht als bei nicht gedämmten Gebäuden. Dadurch wird die Dämm-Technologie zur wichtigsten CO2-Einspartechnologie.
Einsatz von Rohstoffen, Energie, Wasser
Unabhängig vom Dämmstoff, der An- bzw. Abbau der Rohstoffe hat Auswirkungen auf die Umwelt. Bei nachwachsenden Rohstoffen bedeutet dies eine Verwendung der (endlichen) Ressource Boden, bei bestimmten Produkten auch einen hohen Verbrauch von Süßwasser. Bei synthetischen Rohstoffen werden definitionsgemäß fossile Ressourcen eingesetzt. Mineralische Dämmstoffe beruhen auf Rohstoffen wie beispielsweise Quarzsand – ebenfalls eine begrenzte Ressource –, Vulkangestein oder Diabas. Die Wirkungen auf die Umwelt sind dabei unterschiedlich und können sich im Einzelfall auch zwischen Herstellern unterscheiden. In diesem Zusammenhang können ein nachhaltiger Anbau von Rohstoffpflanzen eine Rolle spielen ebenso wie ein bewusster Abbau von mineralischen Rohstoffen. Aufgrund der vielfältigen Rohstoffe bleibt eine umfassende Bewertung jedoch schwierig. Eine Ausnahme bilden hier Recyclingmaterialien wie beispielsweise Zellulosedämmstoffe aus Alt-Zeitungspapier oder Glaswolle aus Altglas, bei denen die Rohstoffbeschaffung nahezu entfällt.{pborder}

Vergleichsweise einfach ist hingegen eine Bewertung von Dämmmaterialien in Hinblick auf die Nutzung fossiler Ressourcen (Primärenergieinhalt = PEI; Einsatz nicht-erneuerbarer Energien). Diese werden als Rohstoff und Energielieferant eingesetzt. In Dämmstoffen mit niedrigen PEIs werden fossile Rohstoffe nicht oder in geringen Mengen (z. B. als Zusatzstoff) als Rohstoff eingesetzt. Durch einen geringen Energieaufwand bei der Verarbeitung werden fossile Rohstoffe auch als Energielieferant kaum benötigt. Folglich finden sich hier Materialien aus nachwachsenden oder mineralischen Rohstoffen und Recyclingmaterialien als lose (Einblas-)Dämmstoffe. Einen mittleren PEI weisen synthetische Dämmstoffe auf, bei denen fossile Ressourcen sowohl als Rohstoff, als auch als Energielieferant verwendet werden. Daneben haben auch verschiedene Platten- und Mattendämmstoffe aus mineralischen Rohstoffen einen mittleren PEI, hauptsächlich zu erklären durch den hohen Energieaufwand beim Aufblähen, Zerfasern und Pressen der Materialien. Mittlere PEIs weisen jedoch auch Holzweichfasermatten und -platten auf. Diese sind dabei nicht nur durch den hohen Herstellungsenergieaufwand zu erklären, sondern auch dadurch, dass Erdölprodukte in großen Mengen als Zusatzstoffe Einsatz finden. So wird beispielsweise für die Herstellung von Holzweichfaserplatten im Trockenverfahren ein Kleber (PU-Harz) erforderlich. Dieser führt zu einem ähnlich hohen Einsatz nicht erneuerbarer Energien für die stoffliche Nutzung (berechnet in kWh) wie bei den synthetischen Dämmplatten EPS und Phenolharz (Abb. 2). Hohe PEIs verzeichnen nur Spezialprodukte wie Perlite, Vakuumdämmplatten und Spaceloft.
Der Einsatz von Süßwasser ist bei den meisten Dämmstoffen gering. Ausnahmen sind Schaumglas, Vakuumdämmplatten, Spaceloft (Aerogel) und insbesondere Holzfaserdämmplatten, die im Nassverfahren hergestellt wurden.
Wohnen: Ressourcen- und Energieeinsparungen.
Basierend auf den Kennzahlen für den Aufwand an Energie und Wasser während der Bauphase zeigen sich Unterschiede zwischen Dämmstoffen in Hinblick auf die erreichten Energieeinsparungen während der Nutzungsphase. Zu den „Besten“ gehören dabei ausschließlich Einblasdämmstoffe (Abb.3). Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen schneiden in Hinblick auf den Ausstoß schädlicher Emissionen bzw. deren Einsparungen tendenziell besser ab als andere Materialien, da in diesen Dämmstoffen zusätzlich CO2 gebunden vorliegt. Jedoch können Zellulose, Stroh und Neptunballfasern nicht bei jeder Dämmsituation eingesetzt werden. Bauphysikalisch scheiden sie häufig aufgrund ihres Brandverhaltens oder ihrer Lieferform aus (viele Situationen erfordern beispielsweise den Einsatz eines Plattendämmstoffes). Ökonomisch können insbesondere Stroh und Neptunballfasern nicht mithalten mit dem Zellulosedämmstoff, Mineralwollprodukten oder dem EPS (Abb. 4). Dies bedeutet jedoch nicht, dass ohne Stroh oder Neptunballfasern kein ökologisches Bauen + Wohnen möglich ist: auch der ökologisch „schlechteste“ Dämmstoff weist eine energetische Amortisationszeit von unter fünf Jahren auf und spart über eine Dauer von 50 Jahren circa 1 Tonne CO2 pro gedämmten Quadratmeter ein (hängt ab von dem Ausgangs- und Ziel-U-Wert).

Die Zukunft: Rückbau- und Recycelbare Dämmsysteme
Das Verwenden von Zusatzstoffen in (fast) allen nachwachsenden Dämmstoffen verhindert eine Kompostierung. Auch ein Recyceln von Dämmstoffen ist aktuell kaum möglich, da ein sortenreiner Rückbau vorausgesetzt ist. Das Recyceln von Baustoffen ist jedoch ein wichtiger Bestandteil des „Green Deals“, war bislang jedoch kaum relevant aufgrund der langen Lebensdauer der gedämmten Gebäude. Um die Dämmstoffentsorgung nicht zum Problem kommender Generationen werden zu lassen, ist bereits jetzt Handlungsbedarf gefragt. Eine Technik ist dabei bereits vorhanden: das sogenannte „DämmRaum-Fassadentaschen“-System. Prinzip dieses Systems ist das Aufbringen einer Holz-Konstruktion, bestehend aus einer Unterkonstruktion (Fassadentasche, bestehend aus einem Massivholzriegel und zwei Sperrholzstreifen) und Universalexpandern auf die Fassaden. Nach außen abgeschlossen wird der Dämm-Raum durch verputzbare Holzwolle-Leichtbauplatten. Der entstandene Zwischenraum wird mit einem Einblasdämmstoff ausgeblasen. Mit diesem System können große Dämmdicken problemlos realisiert werden (bis zu 36,50 cm), wodurch auch der Passivhaus-Standard (U-Werte < 0,11 W/m²K) erreicht werden kann. Möglich ist zudem, Technik-Installationen in die Dämmebene zu verlegen. Da nichts verklebt, sondern nur verschraubt wird, kann das System nahezu komplett rückgebaut und die einzelnen Komponenten recycelt werden. Der Dämmstoff wird abgesaugt und wiederverwendet.

Zudem ermöglicht die Konstruktion den Einsatz von Einblasdämmstoffen für die Außendämmung von Fassaden. Da diese in Hinblick auf den Einsatz von Energie, fossilen Ressourcen und Süßwasser die besten Werte aufweisen, ermöglicht dies die Verwendung der „ökologisch besten“ Dämmstoffe.
Fazit: es besteht durchaus eine Diskrepanz zwischen „ökologischem Bauen“ und „ökologischem Wohnen“. Ersteres bezeichnet in der Regel die Verwendung von „natürlichen Materialien“, mithin eine einseitige Sicht der Dinge, letzteres die Gesamtbetrachtung des Gebäudes von der Herstellung, über die Nutzungsphase bis hin zum Rückbau. Bezieht man diese mit ein, ist ein Unterschied zwischen „ökologischen Dämmmaterialien“ und „konventionellen Dämmstoffen“ nicht mehr erkennbar. Im Gegenteil, hier gilt: Wir brauchen sie alle! (um alle deutschen Gebäude bis 2045 auf CO2-Neutralität zu sanieren, ist eine Dämmstoffmenge von über 1 Kubikkilometer erforderlich – mit Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen nicht darstellbar) Und: auch „ökologische Dämmstoffe“, auf der Außenwand mit Kleber, Putz und Dübeln verbaut, können nicht recycelt und erst recht nicht wiederverwertet werden. Dazu müssen neue Konstruktionen entwickelt werden, die die Außendämmung bzw. deren Konstruktionen neu definiert.
Arnold Drewer, Geschäftsführer IpeG-Institut
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