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8. Dezember 2022
Redaktion

Stilllegung vermeiden

Bis zu 125000 Handwerksbetriebe sollen in den kommenden fünf Jahren an einen Nachfolger übergeben werden. Das gelingt nicht immer und es kommt, auch bedingt durch die Corona-Krise, zu Stilllegungen. Manche Forscher bezeichnen das als „üblichen Marktbereinigungs-prozess innerhalb einer Volkswirtschaft“. Wir beleuchten die Thematik und lassen Betriebsinhaber zu Wort kommen.

Foto: bluedesign/stock.adobe.com

Als Jugendlicher wollte ich eigentlich Automobilkaufmann werden, aber dann habe ich öfters in den Schulferien im Stuckateurbetrieb meines Onkels mitgearbeitet. Weil mir das viel Spaß gemacht hat, absolvierte ich dann eine Ausbildung im elterlichen Betrieb“, beschreibt Christian Reiter. Sein Onkel habe ihm dann immer wieder die Vorteile der Selbstständigkeit aufgezeigt und so entschied sich Christian Reiter nach erfolgreicher Meisterprüfung den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Eine solche Betriebsübergabe wünschen sich die meisten Inhaber von Familienbetrieben. „In den zur Übergabe anstehenden Betrieben ist überwiegend bereits entschieden, wer die Nachfolge antreten soll. Dabei wird vor allem eine Weitergabe innerhalb der Familie oder die an einen Mitarbeiter angestrebt“, berichtet der ZDH aus einer Online-Befragung unter Handwerksbetrieben im dritten Quartal 2020.

{pborder}125.000 Übergabewillige im Handwerk

Die Online-Befragung des ZDH zeigt, dass „bereits beinahe jeder vierte Betriebsinhaber im Handwerk der Altersgruppe der über 60-Jährigen zuzurechnen ist. Eine Folge der demografischen Entwicklung ist, dass in den kommenden fünf Jahren bei bis zu 125 000 Handwerksbetrieben die Übergabe an einen Nachfolger vollzogen werden dürfte“. Die Angaben beziehen sich auf eine Studie von Petrik Runst und Jörg Thomä vom Deutschen Handwerksinstitut (DHI) mit dem Titel „Unternehmensübergaben im Handwerk bis 2030 – Abschätzung und Einordnung“.

Laut der ZDH-Umfrage hat „die überwiegende Mehrheit dieser Betriebsinhaber sich bereits konkrete Gedanken über die Regelung der Nachfolge in der Geschäftsführung gemacht. Nur etwas mehr als ein Drittel (35 Prozent) hat bisher nicht festgelegt, wer den Betrieb übernehmen soll. Mit Abstand am häufigsten ist die Übergabe an ein Familienmitglied vorgesehen (36 Prozent). Ebenso noch relativ häufig genannt wird die Weitergabe an einen Mitarbeiter (12 Prozent). Nur selten in Betracht gezogen wird hingegen der Verkauf an einen Wettbewerber bzw. die Übergabe an einen Existenzgründer oder sonstigen Externen.“

Hemmnisse bei der Übergabe

Ob eine Betriebsnachfolge gelingt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Laut ZDH-Umfrage zählen übergabeinteressierte Inhaber die Suche nach einem geeigneten Nachfolger (57 Prozent), die Ermittlung des Unternehmenswertes (40 Prozent) und steuerliche Aspekte (31 Prozent) zu den drei zentralen Herausforderungen für das Gelingen einer Betriebsübergabe. Tatsächlich schätzt ein nennenswerter Teil der übergabeinteressierten Altinhaber die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Übergabe als eher niedrig ein: „Etwa, weil die Nachfolgersuche nur zäh vonstatten geht, sich die Ermittlung des Unternehmenswertes als schwierig erweist, unterschiedliche Kaufpreisvorstellungen bestehen oder bestimmte steuerliche Aspekte als hemmend empfunden werden“, schreiben die Autoren der DHI-Studie.

„Für den Übergebenden hat sein Betrieb in der Regel auch einen ideellen Wert, den er bei der Kaufpreisermittlung haben möchte. Zudem ist der Betrieb für viele Handwerker auch der zentrale Baustein der Altersvorsorge – sie sind darauf angewiesen, einen möglichst hohen Kaufpreis zu erzielen, um für das Alter finanziell abgesichert zu sein“, steht im ZDH-Bericht.

Erste Anlaufstelle für die Beratung zum Thema Betriebsnachfolge ist für die meisten Betriebe ihr Steuerberater, aber auch die Beratungsangebote von Handwerkskammern und -verbänden werden häufig genutzt.

Modellprojekte für Übergaben

Um die Chancen für gelungene Betriebsübergaben zu vergrößern, sollen Modellprojekte helfen. So sind in den letzten beiden Jahren insgesamt rund 30 Modellprojekte der Initiative „Unternehmensnachfolge – aus der Praxis für die Praxis“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) gestartet, von Projekten zur Übernahmeförderung für Frauen wie „she succeds“ des Verbands deutscher Unternehmerinnen (VdU) bis hin zur Nachfolgeförderung im Handwerk oder der Augenoptik. Die Ansätze in den Modellprojekten sind vielfältig. Sie reichen von Vorbilder-Kampagnen, Nachfolgewerkstätten, Trainee Programmen für Nachfolgende über Nachfolge-coaches, einen Nachfolgebus bis hin zu Follow-Up Netzwerken und dem konkreten Matching von Abgebenden und Nachfolgenden.

Studierende ins Handwerk

Ein anderes Modellprojekt ist das Qualifizierungsprogramm „Successor Qualifizieren – Vernetzen – Nachfolge sichern“, das im April 2021 gestartet wurde. Damit sensibilisiert, qualifiziert und vernetzt die Hochschule Koblenz insbesondere Studierende der MINT-Fächer, die sich für eine Nachfolge in Familienbetrieben interessieren. „Beispiele wie diese rufen den Studierenden ins Bewusstsein, dass die Übernahme eines Handwerksbetriebs eine attraktive Alternative zur klassischen Karriere sein kann“, erklärt der Projektleiter Muad Khemiri. Mit der Qualifizierung in der Successor-Academy erlangen Studierende Kompetenzen, die im Nachfolgeprozess konkret eingesetzt werden können. Mit dem Succesor Club wird eine Plattform zum Vernetzen geschaffen. Ein umfassendes Rahmenprogramm bietet den Studierenden und den Alumni die Möglichkeiten, in den Austausch mit erfolgreichen Betriebsnachfolgern und -nachfolgerinnen aus der Region zu kommen, um von ihrem breiten Erfahrungsschatz profitieren zu können.

Übernahmegründungen fördern

Damit die Unternehmensnachfolge im Handwerk in den kommenden Jahren auf sicheren Füßen steht und das Handwerk insgesamt seine Wirtschaftskraft erhält, sollte die Politik gezielt auf die Förderung von Übernahmegründungen hinwirken, etwa durch eine bessere Ansprache potenziell gründungsinteressierter Personen oder durch eine Senkung bürokratischer Hürden beim Schritt in die Selbstständigkeit. Das fordert das Volkswirtschaftliche Institut für Mittelstand und Handwerk ifh an der Universität Göttingen e.V.: „Es gilt für die Politik, die Altinhaber von potenziell zu übergebenden Betrieben bei der Bewältigung solcher Herausforderungen mittels geeigneter Unterstützungsangebote unter die Arme zu greifen.“

Wenn eine Nachfolge scheitert oder eine Übergabe nicht gelingt, stellen Betriebe ihre Geschäftstätigkeit ein oder werden stillgelegt. Das ist kein ungewöhnlicher Vorgang. Es kommt zu einer üblichen Marktbereinigung, die zur Erneuerung und damit auf lange Sicht zum Wohlstand einer Volkswirtschaft beiträgt. Ein Ausscheiden von Unternehmen aus dem Markt sei oft einer fehlenden Anpassung an Veränderungen in der Branche geschuldet, die vor allem bei einer geplanten Beendigung der eigenen Unternehmertätigkeit vernachlässigt würden, weiß Dr. Rosemarie Kay, die Geschäftsführerin des Instituts für Mittelstandsforschung IfM in Bonn. Das bedeutet konkret, dass viele Betriebe einfach nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Grundsätzlich werden größeren Betrieben bessere Chancen zum Erhalten und Überleben eingeräumt. Denn üblicherweise kommen die Unternehmen von Soloselbstständigen nicht für eine Übergabe in Frage. Das weiß auch der ZDH: „Nicht jedes Handwerksunternehmen ist übernahmewürdig. Bei einigen Unternehmen ist der Ertrags- und oft auch der Substanzwert so niedrig, dass es hierfür keinen Marktwert gibt.“ Auf Nachfrage der Redaktion sagt Generalsekretär Holger Schwannecke: „Wir müssen alles daransetzen, so rasch wie möglich tatsächlich die Wende hinzubekommen zu mehr Wertschätzung der beruflichen Ausbildung, aber auch ganz konkret hin zu mehr jungen Menschen, die sich für eine Karriere im Handwerk entscheiden. Im Vergleich zur Industrie kann man im Handwerk ohne allzu große Investitionen, dafür mit überdurchschnittlichen Erfolgsaussichten ein Unternehmen gründen und übernehmen. Diese Chance nehmen leider viel zu wenig Menschen wahr.“

Bärbel Daiber

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