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29. März 2021
Redaktion

Neue Prüfungszeugnisse für F90-Wände und F90-Decken verfügbar

Im vergangenen Sommer wurde zwischen dem ZDB und dem Verein WIR für Ausbau und Trockenbau e.V. eine Nutzungsvereinbarung umgesetzt, nach der es den Mitgliedsbetrieben des Bundesverbandes Ausbau und Fassade nunmehr möglich ist, die in den beiden betreffenden allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfungszeugnissen dargestellten Bauarten nunmehr exklusiv zu nutzen. Im allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfungszeugnis P-SAC02/III-938 werden Trockenbauwände in der Brandschutzklasse F90 dargestellt, das allgemeine bauaufsichtliche Prüfungszeugnis P-SAC02/III-946 behandelt Abhangdecken in der Brandschutzklasse F90 bei einseitiger Brandbeanspruchung von der Deckenunterseite oder in Verbindung mit Rohdecken der Bauart I bis IV.
Foto: Tesla/Bösl & Eck Architekten Köln

Es stellt sich die Frage, was an diesen Prüfungszeugnissen neu ist und wie sie anzuwenden sind. Hierfür hilft zunächst eine Sicht auf das, was bisher alles möglich war. Trockenbauwände in der Brandschutzklasse F90-A nach DIN 4102 konnten auch bisher „herstellerfrei“, also als sogenanntes offenes System gebaut werden. In der DIN 4102-4 sind derartige Wände schon immer enthalten – es gab nur ein kleines Hindernis: es waren Dämmstoffe mit bestimmten Rohdichten erforderlich. Daneben gibt es bereits seit Längerem die sogenannten „halboffenen“ Systeme der Hersteller oder Baustoffhändler (z.B. Siniat, Baustoff & Metall), bei denen lediglich die Profile oder die Gipsplatten des Inhabers des Prüfungszeugnisses verwendet werden müssen. Das jetzt verfügbare neue Prüfungszeugnis liefert daher eine weitere Möglichkeit, F90-Trockenbauwände herstellerunabhängig bzw. nicht als Systemkonstruktion eines Herstellers zu montieren; nicht mehr, aber auch nicht weniger. Abhangdecken zur brandschutztechnischen Ertüchtigung vorhandener Rohdecken der Bauart I bis IV sind ebenfalls schon immer in der DIN 4102-4 in verschiedenen Ausführungen gelistet, neu ist jetzt, dass mit dem nun vorliegenden Prüfungszeugnis auch eine eigenständig von unten F90 klassifizierte Abhangdecke herstellerunabhängig gebaut werden kann. Allgemeine bauaufsichtliche Prüfungszeugnisse sind baurechtlich relevante Verwendbarkeitsnachweise, die vom Anwender, also Ihnen als Fachunternehmer, konsequent und bis ins letzte Detail umzusetzen sind. In Einzelfällen können sogenannte „geringfügige Abweichungen“ durch den Inhaber des Prüfungszeugnisses legitimiert werden. Ob eine Abweichung aber „geringfügig“ oder eben nicht ist, kann jedoch nur der Inhaber entscheiden. Von daher ist ein solcher Umstand vor der Montage mit dem Inhaber abzustimmen und eine entsprechende schriftliche Bestätigung von dort erforderlich.{pborder}

 
Klaus Arbeiter: „Abhangdecken zur brandschutztechnischen Ertüchtigung vorhandener Rohdecken der Bauart I bis IV sind immer schon in der DIN 4102-4 in verschiedenen Ausführungen gelistet. Neu ist jetzt, dass mit dem nun vorliegenden Prüfungszeugnis auch eine eigenständig von unten F90 klassifizierte Abhangdecke herstellerunabhängig gebaut werden kann.“Allgemeines bauaufsichtliches Prüfungszeugnis P-SAC02/III-938 für F90-Wände
Zunächst ist gemäß Abschnitt 1.1.2 darauf zu achten, dass die F90-Wand mit einem Dämmstoff nachgewiesen ist, der einen Schmelzpunkt < 1000 Grad aufweist. Das entspricht einer handelsüblichen Trennwandplatte. Der Einbau einer Dämmung mit einem Schmelzpunkt > 1000 Grad dürfte zwar brandschutztechnisch unbedenklich sein, stellt aber dem Grunde nach bereits eine Abweichung zum Prüfungszeugnis dar. Man sollte dies daher nicht ohne Absprache umsetzen, um sich nicht unnötige Angriffsflächen bei besonders detailverliebten Bauherren zu schaffen. Die möglichen Wandhöhen der F90-Wand werden im Abschnitt 1.2.4 auf 5000 mm beschränkt. Dies stellt gegenüber den nach DIN 4102-4 nachgewiesenen Konstruktionen einen Rückschritt dar, da dort Wände bis 6500 mm Höhe beschrieben werden. Leider wird im Prüfungszeugnis nicht dargestellt, mit welchen Profilen eine bestimmte Wandhöhe realisiert werden kann. Man wird sich daher auf die anerkannten Regeln der Technik, hier: DIN 18183-1, Trennwände aus Gipsplatten mit Metallunterkonstruktion, zurückziehen müssen. Das bedeutet, dass mit 50-er Profilen eine Wandhöhe von 4000 mm möglich ist und die nach Prüfungszeugnis maximale Wandhöhe von 5000 mm mit 75-er oder 100-er Profilen realisiert werden kann. Gemäß den Abschnitten 1.2.7, 1.2.8 und 1.2.9 sind keinerlei Einbauteile (z.B. Steckdosen) oder Installationsführungen (z.B. Kabelkanäle oder Lüftungsleitungen) in der F90-Wand nachgewiesen – außer wenn der Einbau bzw. die Durchdringung gesondert nachgewiesen ist. Es gilt also allerhöchste Sensibilität darauf zu verwenden, ob die Verwendung der F90-Wand bei den jeweils baustellenbezogenen individuellen Anforderungen überhaupt möglich ist. Gemäß Abschnitt 1.2.11 sind mit dem Prüfungszeugnis keine Schallschutzanforderungen nachgewiesen. Auch hier gilt es achtsam zu sein, ob beim jeweiligen Projekt Schallschutzanforderungen gestellt werden. Im Abschnitt 2.1 wird die Anschlussdichtung mit einer Dicke von 5 mm beschrieben, was nicht handelsüblich ist. Hier gilt es sicherzustellen, dass eine derartige Anschlussdichtung auch eingebaut wird. Seltsamerweise wird dieselbe Anschlussdichtung im Abschnitt 4.2.5 dann mit einer Dicke von 3 mm dargestellt. Dieser Widerspruch ist mit dem Inhaber des Prüfungszeugnisses aufzuklären, damit nicht zwei unterschiedliche Darstellungen aufgeführt werden und Diskussionen darüber entstehen, was denn jetzt richtig ist. Im Abschnitt 2.4 wird eine schriftliche Aufbauanleitung für die F90-Wand beschrieben. Jetzt mag der geneigte Fachunternehmer denken, dass das nun wirklich nicht nötig ist – schließlich wissen wir alle, wie eine Trennwand aufzubauen ist. Die Aufbauanleitung ist aber Bestandteil des Prüfungszeugnisses und muss, analog zu den Bestimmungen bei allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen oder allgemeinen bauaufsichtlichen Bauartgenehmigungen, während der Montage an der Baustelle ausliegen. Sie gehört daher unweigerlich zum Prüfungszeugnis dazu und muss vom Inhaber des Prüfungszeugnisses zur Verfügung gestellt werden. Der Einstand der Ständerprofile in das obere U-Anschlussprofil wird im Abschnitt 4.2.2 mit mindestens 30 mm gefordert. Da hierauf in der Praxis oft nicht geachtet wird, sind die tätigen Monteure entsprechend anzuweisen. Im Abschnitt 4.2.4 wird der Fugenversatz der horizontalen Plattenstöße zwischen der inneren und äußeren Plattenlage mit mindestens 500 mm gefordert. Dies hat vielfältige Folgen bei der Montage (z.B. bei einer streifenförmigen Vorabbeplankung wegen Estricheinbau), auf die genauestens geachtet werden muss. In der DIN 18181: Gipsplatten im Hochbau – Verarbeitung, ist dieser Versatz im Abschnitt 5.4.1.2 nämlich mit nur mindestens 20 cm gefordert, was in der Praxis natürlich zu deutlichen Vereinfachungen bei der Montage führt. Bei der hier nachgewiesenen F90-Wand geht das leider nicht.
 
Allgemeines bauaufsichtliches Prüfungszeugnis P-SAC02/III-946 für F90-Decken
Ganz entscheidend für dieses Prüfungszeugnis ist der Abschnitt 1.2.7, nach dem bei dieser Bauart keine Dämmstoffe im Zwischendeckenbereich eingebaut werden dürfen. Dies schränkt die Anwendbarkeit der in diesem Prüfungszeugnis dargestellten Deckenbauart natürlich deutlich ein. Die brandschutztechnische Ertüchtigung einer Holzbalkendecke zum Beispiel dürfte ohne Dämmstoff baupraktisch quasi gar nicht vorkommen. Bedenken Sie also, wo genau Sie diese Abhangdecke einbauen wollen, Dämmungen sind tabu. Analog zu dem Prüfungszeugnis der F90-Wände sind auch hier gemäß den Abschnitten 1.2.10, 1.2.11 und 1.2.12 keinerlei Einbauteile (z.B. Revisionsklappen), Durchdringungen etc. nachgewiesen. Sie müssen daher darauf achten, was bei Ihrem jeweiligen Bauvorhaben so alles in die Abhangdecke eingebaut bzw. durch diese hindurch geführt werden soll. Für all diese Dinge sind entsprechende Eignungsnachweise erforderlich, damit es hinterher kein böses Erwachen gibt. In der Auflistung der Bauprodukte der Abhangdecke im Abschnitt 2.1 wird eine Anschlussdichtung für die begrenzenden UD-Profile nicht aufgeführt – in dem Detail A1/1 zum konstruktiven Aufbau jedoch angegeben. Offensichtlich wurde diese Anschlussdichtung in der Tabelle des Abschnittes 2.1 vergessen. Die Qualität der Anschlussdichtung ist von daher mit dem Inhaber des Prüfungszeugnisses abzustimmen und nicht einfach frei wählbar. Im Abschnitt 2.4 wird eine schriftliche Aufbauanleitung für die F90-Decke beschrieben. Hier gilt natürlich dasselbe, was zuvor schon zu den F90-Wänden ausgeführt wurde. Im Abschnitt 4.2.2 wird der Randabstand der Tragprofile zu den parallel verlaufenden Wandkonstruktionen mit höchstens 105 mm dargestellt – im Detail A1/3, welches den konstruktiven Aufbau der Unterdecke beschreibt, wird dieses Maß jedoch mit 100 mm festgelegt. Es ist daher zu empfehlen, den kleineren Wert zu wählen.
 
Zusammenfassung
In den beiden vorangegangenen Abschnitten wurden lediglich Auffälligkeiten, Widersprüche und Nutzungseinschränkungen dargestellt bzw. kommentiert. Selbstverständlich sind auch alle weiteren Angaben der Prüfungszeugnisse zu den Bauprodukten und dem konstruktiven Aufbau der Bauarten zu beachten und umzusetzen. Aber so ist mit jedem speziellen Verwendbarkeitsnachweis – nur sorgfältiges Lesen und Verinnerlichen sorgt dafür, dass man in der Praxis keine Fehler macht. Die beiden neu eingeführten Prüfungszeugnisse bieten Ihnen als Fachunternehmer neue, zusätzliche Möglichkeiten zur Errichtung von brandschutztechnisch klassifizierten Trockenbau-Bauarten. Allerdings sind deren Feinheiten, Widersprüche und Nutzungseinschränkungen genauestens zu beachten und in ihrer täglichen Praxis auch umzusetzen. Sie liefern bei den Wänden nichts wirklich Neues; F90-Wände konnten bereits seit Langem auf verschiedene Art und Weise herstellerunabhängig hergestellt werden. Bei den Abhangdecken wird der große Vorteil einer eigenständigen Klassifizierung F90 von unten durch die Nichtzulässigkeit einer Dämmung deutlich verspielt. Vielleicht wird das ja bald noch vom Inhaber des Prüfungszeugnisses geändert. Ob die beiden Bauarten daher oft eingesetzt werden, wird die Zukunft zeigen. Es ist geplant, nach einer gewissen Zeit eine Abfrage bei den organisierten Fachunternehmern durchzuführen, wie häufig diese beiden Bauarten eingesetzt werden, um die praktische Tauglichkeit der beiden Prüfungszeugnisse verifizieren zu können. Klaus Arbeiter
 
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