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23. März 2023
Redaktion
Factoring

Schneller ans Geld

Unternehmerinnen und Unternehmer profitieren von einem extrem schnellen Zahlungseingang, wenn sie ihre Forderungen verkaufen. In unsicheren Zeiten ist das Interesse der Firmen entsprechend gestiegen. Wann sich Factoring für Handwerksunternehmen lohnen kann.
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Foto: andranik123/stock.adobe.com
Factoring bietet den Firmen einen schnellen und sicheren Geldeingang innerhalb von wenigen Tagen.

Immer mehr Forderungen werden verkauft. Allein im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres stieg der Umsatz der Mitgliedsunternehmen des Deutschen Factoringverbandes in Berlin im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 8,6 Prozent auf 146,5 Milliarden Euro. Tendenz anhaltend: Die Mehrheit der Factoringgesellschaften sieht eine gute Perspektive für die weitere Entwicklung. „Factoring konnte auch in der Pandemie als Liquiditätsbringer viele Unternehmen stabilisieren und retten“, sagt Helmut Karrer, Mitglied des Vorstandes des Deutschen Factoringverbandes.

Die Vorteile des Forderungsverkaufs

Das hat gute Gründe: Factoring bietet den Firmen einen schnellen und sicheren Geldeingang innerhalb von wenigen Tagen. „In Zeiten der Inflation und von Lieferengpässen sehen die Firmen hierin den großen Vorteil des Factorings“, sagt Paul Klinger von der Factoringgesellschaft abcfinance in Köln. Die Liquiditätssicherung und die Stabilisierung der Finanzierungsbasis ist nach den Studienergebnissen für über 90 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer das primäre Motiv, warum sie sich für den Forderungsverkauf entschieden haben.

Aufgrund des schnellen Geldeingangs gewinnen die Unternehmen deutlich Liquidität und können bei ihren Lieferanten Skonto ziehen – immerhin verbunden mit einem Vorteil von rund drei Prozentpunkten auf die Rechnungssumme. Außerdem generieren die Unternehmen eine leistungsstarke und umsatzkongruente Ergänzung ihrer Kontokorrentlinie und schaffen sich so auch eine Basis für Wachstum. Überdies erzielen die Betriebe im Wettbewerb Vorteile, weil sie den Kundinnen und Kunden längere Zahlungsziele gewähren können. Factoring verkürzt die Bilanz, mit positiven Effekten aufs Rating der Bank. Das gibt es natürlich nicht zum Nulltarif: Im Schnitt zahlen Unternehmer aus dem Handwerk eine Gebühr in Höhe von 1 bis 3 Prozent auf die Rechnungssumme. Die Gebühr orientiert sich wie bei allen Finanzierungsformen unter anderem an der Bonität.

So funktioniert der Forderungsverkauf

Im ersten Schritt überprüft der Factor also die Kreditwürdigkeit des Unternehmers oder der Unternehmerin sowie je nach Vertrag auch jene der jeweiligen Kundinnen und Kunden. Beim echten Factoring, bei dem der Factor das Risiko eines Zahlungsverzugs oder sogar -ausfalls übernimmt, legen die Gesellschaften ein Limit fest. Bis zu dieser Höhe nehmen sie dann Forderungen an. Die Prüfung hat für die Firmenchefinnen und -chefs Vorteile: sie erhalten eine Aussage, wie ihre Bonität von Dritten eingeschätzt wird. Und sie erfahren, wie viel Umsatz jeder ihrer Kundinnen und Kunden im Jahr wert ist – welches Auftragsvolumen sie gefahrlos annehmen können. Besonders für Neukundinnen und -kunden ist das eine wichtige Information. Die meisten mittelständischen Unternehmen können sonst allenfalls ein kurzes Statement bei Auskunfteien wie Creditreform oder Bürgel abfragen. Um Neukundinnen und -kunden richtig einschätzen zu können, reicht das in der Regel nicht aus. Aber der Unternehmer oder die Unternehmerin kann je nach Vertrag ohnehin selbst entscheiden, welche Forderungen er oder sie verkaufen will. Es muss sich allerdings um eine unbestrittene Forderung handeln. Falls Kundinnen und Kunden Mängel anzeigen oder aus anderen Gründen nur mit Abschlag zahlen wollen, springen die Factoring-Gesellschaften nicht ein. Forderungen, die der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) unterliegen, nehmen aufgrund der Risiken sowieso nicht alle Factoring-Gesellschaften an. Das Geld wird zumeist innerhalb von einem bis drei Tagen nach Übergabe der Rechnung auf dem Konto gutgeschrieben.

Kriterien für die Auswahl des Factors

Auf welchen Anbieter die Wahl fällt, hängt von den individuellen Bedürfnissen der Firma ab. Die Auswahlkriterien:

  1. Seriöse Anbieter legen besonderen Wert auf die Bonitätsprüfung – zur Sicherheit aller Beteiligten. Sie üben keinen Druck mit Blick auf den Vertragsabschluss aus.
  2. Die Chemie muss stimmen. Factoring-Gesellschaften treten je nach gewählter Variante direkt mit den Kundinnen und Kunden des Mandanten oder der Mandantin in Kontakt. Mangelt es an Freundlichkeit oder Kulanz im Umgang, können Auftraggeber*innen im schlimmsten Fall deswegen zur Konkurrenz abwandern. Also sollte man sich Referenzen nennen lassen.
  3. Die vertraglichen Vereinbarungen sind das A und O. Der Vertrag sollte entsprechend klar und eindeutig formuliert sein. In der Regel fußt er auf einer Basisvereinbarung sowie auf einem individuellen Konditionenblatt mit Angaben zu den Kosten und zur Bonitätsprüfung.
  4. Vieles ist Verhandlungssache: Falls ein Anbieter einen Handwerksbetrieb ablehnt, muss das nicht das Aus bedeuten. Die Gesellschaften bewerten ihre Risiken unterschiedlich. Holen Sie sich mehrere Angebote ein.

Digitale Lösungen im Trend

Die abcfinance zum Beispiel hat kein Problem mit VOB-Forderungen. Sie schreibt innerhalb von 24 Stunden gut. Die Finanzierungsgesellschaft bietet seit rund zwei Jahren eine spezielle Lösung für kleinere Handwerksbetriebe und Soloselbstständige an. Diese zielt auf ein einfaches Handling ab. Alles läuft online. Im ersten Schritt prüft die Gesellschaft wie sonst die Bonität des Unternehmers oder der Unternehmerin. „Das dauert über unser Vertriebspartnerportal eine Minute. Wir brauchen lediglich die Stammdaten des Malers“, sagt Klinger. Der Unternehmer oder die Unternehmerin wird zuerst im Portal registriert. Das machen sie gemeinsam mit einem Mitarbeitenden von abcfinance, zum Beispiel bei einem Videotelefonat. Danach erhält sie per Mail einen Rahmenvertrag und können nach Unterschrift gleich erste Rechnungen hochladen. „Wir arbeiten hier zwar mit einem digitalen Verfahren wie es inzwischen in der Branche üblich ist. Der Unternehmer hat bei uns aber einen Ansprechpartner, den er bei Fragen telefonisch oder per Mail erreichen kann. Er landet bei uns nicht in einem Callcenter“, sagt Klinger.

Sowohl gewerbliche Forderungen als auch Privatkundenrechnungen nimmt abcfinance bei dieser Online-Lösung an. Das kann sie, weil das Zahlungsausfallrisiko nicht übernommen wird. Falls Kundinnen oder Kunden nach Ende der Zahlungsfrist nicht überwiesen haben, holt sich abcfinance den geleisteten Betrag von Unternehmer*innen wieder zurück. Mahnverfahren bleiben hier also in der Hand des Malerbetriebs. Kundinnen und Kunden erfahren auch nichts vom Verkauf der Forderung. Die Unternehmer*innen schreiben wie sonst auch ihre Rechnung. Einziger Unterschied: Sie verwenden bei ihren verkauften Forderungen eine andere IBAN-Nummer. Es gibt auch keine Rechnungsgrenzen. Und der Firmenchef oder die -chefin entscheidet, welche Forderungen sie verkaufen wollen. Sie können also nur jene abtreten, bei denen sie mit einem späten Zahlungseingang rechnen, um sich den schnelleren Zahlungseingang zu sichern.

Formen und Formalien

Unternehmerinnen und Unternehmer können beim Factoring verschiedene Varianten wählen.

  • Full Service: Der Factor übernimmt das Risiko komplett, also auch mögliche Mahnverfahren. Die Rechnungsstellung erfolgt über den Factor. Das ist der Standard.
  • Ausschnittsfactoring: Unternehmer*innen verkaufen nicht den gesamten, sondern nur den Forderungsbestand ausgewählter Schuldner*innen. Je mehr Debitoren der Factor aber übernimmt, desto geringer ist sein Risiko und desto niedrigere Gebühren fallen für die Unternehmer*innen an.
  • Stilles und offenes Factoring: Das offene Factoring ist die Regel. Der Debitor wird über den Verkauf informiert. Dieser weiß, dass er an die Factoring-Gesellschaft überweist. Beim stillen Factoring erfährt der Schuldner/die Schuldner nichts vom Verkauf der Forderung. Unternehmer*innen schreiben die Rechnung selbst.
  • Echtes und unechtes Factoring: Beim ersterem übernimmt die Gesellschaft das Zahlungsausfallrisiko, beim unechten Factoring eben nicht. Unternehmer*innen müssen selbst Sorge tragen, dass Kundinnen und Kunden nach Ende der Zahlungsfrist überwiesen haben.

Uli Dahme

Foto: kuraphoto/AdobeStock_428914080
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