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7. Januar 2020
Redaktion

Mineralische Baustoffe erfüllen Anspruch an Wohngesundheit

Kunden verlangen vermehrt nach wohngesunden Materialien. Mineralische Systeme erfüllen diesen Anspruch, weil sie positiv auf das Innenraumklima wirken, keine Schadstoffe einbringen und schimmelwidrig sind. Die Klassiker Lehm, Kalk und Silikat haben heute verbesserte Eigenschaften. So sind handwerklich herausragende Lösungen einfacher.


Foto: Manderscheid Architekten

Viele Menschen halten sich heute überwiegend in Innenräumen auf. Die Räume werden immer dichter, ihre Oberflächen sind dabei häufig dampfdicht, so dass die Untergründe keine Feuchtigkeit mehr puffern können. Schließlich wird die Luftwechselrate, um Heizenergie zu sparen immer geringer. Wurde früher die Luft zweimal und häufiger in der Stunde ausgetauscht, ist es heute nur noch ein Mal alle zwei Stunden, bei Handlüftung noch weniger, wie Untersuchungen belegen. Das führt vermehrt zu „dicker Luft“, die Konzentration an leicht flüchtigen Stoffen (VOC) nimmt überhand. Auch Feuchte- und Schimmelschäden nehmen so zu. Sorptionsfähige Oberflächen reduzieren die Gefahr von Schimmelbildung. Mineralischer Putz und Farben ­können die Umfeldhygiene signifikant verbessern. ­Alkalische und sorptionsfähige Oberflächen reduzieren Schimmelwachstum. Alkalität wirkt biozid, sowohl auf der Wand als auch im Topf. So kann auch die Topfkonservierung entfallen. Rein mineralische Produkte sind nicht nur biozid-, monomer-, VOC- und SVOC-frei (lösemittelfrei). Zudem sind sie antistatisch und raumklimatisch ausgleichend, so dass sie sich für eine nachhaltige Gesundheitsvorsorge eignen. Nicht zuletzt sind sie über ihren gesamten Lebenszyklus umweltverträglich. Besonders alkalisch sind der bewährte Baustoff Kalk und das moderne Silikat, die eine robuste Oberfläche bilden. Der älteste Wandbaustoff Lehm ist der Champion beim Feuchte puffern. Durch seine hohe Sorptionsfähigkeit trocknet er Oberflächen noch schneller als Kalk oder Silikat. Mit Feuchtigkeit werden auch VOCs und Geruchsstoffe transportiert und können in den Poren der mineralischen Baustoffe abgelagert, manche sogar umgewandelt werden, wie etwa Formaldehyd. Aktuelle Forschungen des h-house Konsortiums (h-house-project.eu) belegen das (ausbau + fassade 11/2017, S. 15). Die Versuche machten auch deutlich, dass die Materialien der Oberfläche für die Sorptionswerte der kompletten Wand ausschlaggebend sind. Mit Lehm, Kalk oder lichtechtem Silikat entsteht wohngesunder Lebensraum.

Neben unterschiedlichsten Lehmputzen und Streichputzen gibt es inzwischen auch Lehmfarben. Foto: AuroVielfältige Lehmprodukte sind mittlerweile zum Trend geworden
Im Zuge des Klimawandels und der Notwendigkeit, nachhaltig zu bauen, hat sich Lehm heute wieder zu einem echten Trend entwickelt. Seit einigen Jahren wird das relativ weiche Material, das heute noch in den Untergründen vieler Altbauten zu finden ist, vermehrt für sichtbare Oberflächen eingesetzt. Seine erdige Farbigkeit kommt ohne zusätzliche Pigmente aus. Puristisch sind viele Töne möglich – von einem gebrochenen Weiß über Grün-, Gelb- und Rottöne bis zu einem satten Schwarz. Mit weiteren Pigmenten sind auch andere gedeckte Töne möglich. Neue Materialien wie dünne Edelputze und Lehmfarben wurden entwickelt, die einfacher zu verarbeiten sind, als der Lehm aus der eigenen Baugrube. Ein Trend innerhalb der Szene ist Lehm-Kasein-Spachtel für Böden. Durch seine leichte Formbarkeit bietet Lehm sich besonders für strukturierte Oberflächen an. Nicht zuletzt gibt es seit wenigen Jahren neue Lehmbaunormen, die Rechtssicherheit garantieren.

Moderne Erdigkeit überzeugt auch in öffentlichen Gebäuden
Besonders in der Schweiz wird Lehm gerne verwendet. Im großen Triemlspital in Zürich kam Lehmputz für die Heiz-/Kühldecke zum Einsatz. Im Kühlfall puffert er Kondensationsfeuchte. Im Hortpavillon Allenmoos, ebenfalls in Zürich, kam neben Stampflehm und Lehmputz auch Lehmspachtel zum Einsatz, den Gerold Ulrich von Calctura ausführte (siehe Kasten unten). Immer mehr Gestalter und Handwerker entdecken Lehm für sich. So lud 2018 der Hersteller Claytec zu einem Gestaltungswettbewerb ein, bei dem Profis ihre Entwicklungen in einem denkmalgeschützten Altbau ausführten. International tätige Architekturbüros realisieren spektakuläre Stampflehm-Projekte wie die Anfang des Jahres eröffnete Alnatura Arbeitswelt in Darmstadt, das europaweit größte Bürogebäude mit Lehmfassade. Außen entwickelt eine kontrollierte Erosion die Patina der Stampflehmfassade. Innen verbessern der raue Lehm und weitere Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen alle Aspekte des Raumklimas. So wurde für die Innenwände die Farbe IndekoGeo von Caparol verwendet. Ihr Bindemittel wird überwiegend aus Biogas und Bio-Naphtha gewonnen.

Kalk hat im Innenraum auch aus gestalterischen Gründen eine lange Tradition
Kalkoberflächen haben eine lange Tradition im Innenraum, sowohl aus bauphysikalischen als auch aus gestalterischen Gründen. In einem weich gebrannten Kalk bildet sich nach mehreren Kristallisierungszyklen der so genannte Kalklüstereffekt, das vielgerühmte Tiefenlicht. In Kirchen ausgereifte Kalkoberflächen reflektieren Licht aus der Tiefe des Materials heraus. Reine Kalkbeschichtungen sind emissionsfrei und selbst für Allergiker geeignet. Kalk ist mit einem pH-Wert von über 12 hoch alkalisch. Die ausgeprägte Kapillarität einer Kalkoberfläche in Verbindung mit einem sorptionsfähigen Untergrund sorgt für einen ausgeglichenen Feuchtehaushalt und damit für ein gesundheitsförderndes Wohnraumklima – auch bei wasserdampfbelasteten Räumen. Silikatfarben, wie bei „The LOFT“ in Amsterdam, sind wohngesund, weil konservierungsmittelfrei und diffusionsfähig. Foto: entertheloft.comHeute können minimale Mengen an Additiven die Eigenschaften der Produkte gravierend ändern. Petrochemische Additive vereinfachen teilweise die Verarbeitung, können aber gesundheitlich kritisch sein. Kunststoffdispersionen verändern auch die optischen Eigenschaften. Nur rein mineralische Produkte können das magische Tiefenlicht erzeugen. Neben Putzen und Farben werden heute auch die vielfältigen traditionellen Dekorbeschichtungen wie Kalkpresstechniken als baubiologisch rezeptierte Produkte mit natürlichen Rohstoffen ebenso angeboten wie mit petrochemischen Additiven. Auch hier ermöglichen die Produkte hochwertige Handwerklichkeit: Für die Fassade der Baugemeinschaft „en famille“ kam ein durchgefärbter Kalkputz von Tubag zum Einsatz (ausbau + fassade 10/2015, S. 28 ff.). Das Treppenhaus innen ist mit Knauf Rotkalk geschlämmt. Der Rotkalkmörtel wurde aufgespritzt und nach einem leichten Ansteifen mit dem Quast verstrichen. So bleibt die Handschrift des ausführenden Stuckateurs gut sichtbar. Ein teilweise schachtartiger Raum verbindet den Eingangsbereich mit einem Oberlicht. Um diese Verbindung zu betonen, entwarf der Architekt ein Ornament welches den Weg des Tageslichts nachzeichnet. Archaisch wirkt sein wolkiges Weiß unterbrochen durch Ecken und Kanten sowie nicht zu hundert Prozent verschlichteten Stellen. Zudem verändert sich die Farbtiefe des Naturmaterials mit dem sich ändernden Tageslicht. Das Ornament spachtelte Roland Welsch von Welschwalls mit einer Kalkglätte von Hessler Kalk zirka 2 mm stark. Zuvor hatte er den groben Untergrund gründlich abgekehrt und die Ränder mit Steinband abgeklebt.

Mit der historischen Tadelakt lassen sich auch im Nassbereich attraktive Oberflächen erstellen
Für die historische Technik des Tadelakts kommt in seinem Ursprungsland Marokko ein hydraulischer Naturkalk zum Einsatz. Heute wird dieser meist nachgestellt. Durch seine puzzolanischen Beimischungen härtet er bei entsprechender Verdichtung und Behandlung mit Seife wasserdicht aus. Mit Tadelakt lassen sich auch in Nassbereichen sehr attraktive Oberflächen erstellen, die auch weiter bearbeitet werden können, etwa zu einem Sgraffito. Silicium, das in der Natur so schöne Kristalle wie scharfkantigen klaren Quarz oder bunt schillernden Opal bildet, ist der wichtigste Ausgangsstoff für Kaliwasserglas, das Bindemittel in Silikatfarben. Kaliwasserglas und die Pigmente verleihen nicht nur künstlerischen Gestaltungen ihre einmalige Ästhetik. Kaliwasserglas trocknet bei entsprechender Verarbeitung farbklar auf. So entstehen farbintensive, mineralisch matte Wandoberflächen. Reine Silikatfarben sind sehr lichtbeständig. In ihnen kann kein organisches Bindemittel vergilben. Sie besitzen herausragende baubiologische Eigenschaften, ebenso wie Silikatfarben mit wenig Kunstharzanteilen. Sie sind selbst für Menschen, die durch Umweltgifte sensibilisiert sind, bestens geeignet. Grundsätzlich haben Silikatbeschichtungen hervorragende bauphysikalische Eigenschaften. Ausgehärtet haben sie eine löchrige Mikrostruktur, die von winzigen Kapillaren durchzogen ist. So sind sie diffusionsfähig und lassen Gase wie Wasserdampf und CO2 nahezu ungehindert passieren. Achim Pilz

 

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Foto: kuraphoto/AdobeStock_428914080
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