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24. Februar 2020
Redaktion

Lehmputz sichert gutes Raumklima

Lehm ist hydrophil und eine gute Schimmelprophylaxe. So ist er innen wie außen der optimale Baustoff für die Kita „Der kleine Wassermann“. Im über 500 Jahre alten niederrheinische Wohn-Stallhaus und seiner großzügigen Erweiterung verbessern Lehmoberflächen zudem das Raumklima.

Foto: Martin Breidenbach

Der Architekt Martin Breidenbach sanierte das niederrheinische Hallenhaus vom Ende des Mittelalters in Viersen mit Baustoffen, die die Gesundheit der Nutzer fördern. Breidenbach wollte den würdevollen Reiz der historischen Hofanlage wieder herstellen, sie erweitern und eine Nutzung als Kindertagesstätte ermöglichen. Dabei setzte er nur ökologische oder historische Materialien ein: verschiedene Lehmputze, Lehmfarben und Leichtlehmsteine, die das Raumklima regulieren; recycelte Klinker, Massivholzplatten, recyceltes und neues Eichenholz minimieren den ökologischen Fußabdruck. Für Rekonstruktionen sowie Anbau verwendete er frisch geschlagenes Eichenholz, das eine sehr hohe Restfeuchte hat. „Es spricht viel dafür, es frisch zu verzimmern, wie man das früher auch immer gemacht hat und dann im abgebundenen Zustand zu trocknen“, erklärt der Architekt. Trocknen und Schwinden dauern dann etwa zwei Jahre. Um das Schwinden auszugleichen, ließ Martin Breidenbach die Lehmputze der Außenwände schrittweise fertigstellen – zuerst die Innendämmung mit Temperierung und Deckputz sowie den Unterputz außen. Den äußeren Deckputz ließ er dann fast drei Jahre nach Bezug der Kita auftragen.


Fassade in Lehm – und etwas Kalk


Auch die Esse der rekonstruierten Kaminanlage besteht aus mehreren Lehmlagen. Foto Martin BreidenbachDa der Planer seit Jahrzehnten mit Lehm baut, ließ er auch den Deckputz der Fassade in dem stets wasserlöslichen Material fertigen. Denn es hält das arbeitende Holz trocken. „Da haben wir uns viel getraut“, ist er stolz. Zuerst wurde die Fachwerkkonstruktion mit Leichtlehmsteinen ausgemauert. Im Neubau schließen die Lehmsteine innen bündig mit dem Fachwerk ab, außen blieb zirka 2,5 cm Platz für den Putz. Alle Lehmputzarbeiten führten Wojciech Wilczek und Stefan Brenkers, beide aus Viersen, aus. „Mit Lehm ist es möglich, schadstofffrei zu bauen. Er braucht keine Konservierungsstoffe“, weiß der erfahrene Lehmbauer Wilczek. Im Inneren des Neubaus trugen die Lehmbauer zirka 1 cm Lehmkleber – ein Lehmputz, dessen Bindekraft durch Cellulose verstärkt ist – flächig über Lehmsteine und Konstruktionshölzer auf und schwemmten die erste Lage der Holzfaser-Innendämmung hohlraumfrei ein. Wichtig ist, dass die Stöße der Nut- und Federplatten versetzt sind und Kreuzfugen vermieden werden. Die Platten verankerten sie in der Holzkonstruktion mit zwei Dübeln je gesamte Platte. Dann kämmten sie erneut Lehmkleber auf, schwemmten die zweite Lage der Innendämmung ein und verankerten sie. In einen erneut aufgekämmten Lehmkleber drückten die Heizungsinstallateure die Halteleisten für die Temperierung ein, positionierten sie parallel und verschraubten sie endgültig. Putzschichten über 1 cm Stärke benötigen einen solchen Haftgrund. „Das habe ich inzwischen optimiert“, erklärt Brenkers. „Den Lehmkleber kämme ich heute nicht mehr von Hand auf. Statt dessen lasse ich erst die Halteleisten befestigen. Danach spritze ich mit einer kleinen Putzmaschine eine dünne, raue, geschlossene Haftschicht auf. Das ist eine deutliche Arbeitserleichterung.“ Auf die 16 mm dicken Heizrohre trugen die Lehmbauer zwei Lagen Lehmputz auf. „Von der Tendenz her ziehe ich die erste Lage knapp unter den Heizleitungen ab und fülle die Felder zwischen den Heizleitungen nicht ganz“, erklärt Brenkers. „So ist die Haftung zum Untergrund sicher.“ Dann wurde die Heizung eingeschaltet – „auch damit sich die Rohre in das Lehmbett setzen können“, erläutert er. Für die zweite Lage füllte er die verbliebenen Vertiefungen auf, zog mit der Latte locker ab und egalisierte im zweiten Arbeitsgang. In die frisch abgezogene Oberfläche legte er das Gewebe ein und zog mit dem Flächenspachtel ab. Diese Innenputze stellen auch die Luftdichtigkeit im Fachwerk her. Für die Verarbeitung der Lehmputze im mitunter stark unregelmäßigen Altbau brauchte es etwas mehr Erfahrung. „Es war nicht die Maßgabe, etwas flucht- und lotrecht zu gestalten, sondern eine harmonische Linie reinzubekommen“, betont Brenkers. „Wenn das alte Gefacheholz sich mehrere Zentimeter nach vorne beugt, muss man diesen Bogen einfach geschmeidig mitnehmen.“ Den unregelmäßigen Untergrund füllten die Handwerker mit Unterputz zu einer ebenen Fläche auf. Der Mörtel musste dann trocknen, damit sich die Feuchtigkeit nicht unter der Innendämmung staut. Wo nötig trocknete Brenkers auch technisch mit Bautrockner und Lüfter. Detail des Geländers: der Unterputz wurde mit punischem Wachs eingelassen. Foto: Achim PilzAußen trugen die Lehmbauer die zweite Lage Lehmputz nach knapp drei Jahren auf. Schon nach einem halben Jahr wurden an einer Stelle Abläufer von Regenwasser sichtbar. „Direkter Regen legt auf Dauer die oberste Schicht frei, so dass die Strohhäcksel zu sehen sind“, erklärt Wilczek. „Es dauert aber lange, bis das ein Schaden wird.“ Erst in etwa zehn Jahren sei wieder eine Renovierung fällig, meint der Architekt. Prinzipiell lässt sich Lehm leicht ausbessern. Ein Wasserschaden, den Fensterputzer verursachten, die Fenster mit dem Schlauch abspritzten, war schnell behoben. Wilczek feuchtete die oberste Schicht an, kratzte sie mit dem Nagelbrett ab und verputzte erneut. Wetterexponierte Flächen, erhielten als schützende Schicht einen robusten Kalkputz, ebenfalls hydrophil. Die Ostseite des Neubaus, die kaum Dachüberstand hat, verputzte Wojciech Wilczek mit einem Luftkalkmörtel mit Dachshaaren als Handputz. Den noch feuchten Putz strich der Experte mit Erfahrungen in der Denkmal-Restaurierung mit einer Sumpfkalkfarbe. Für das Giebelfeld über dem südlichen Schopfdach des Altbaus verwendete er einen Kalk-Zementputz. „Das geht einfach und ist schnell zu machen“, begründet er. Abschließend strich er ihn mit einer Dispersions-Silikatfarbe im Lehmton.


Lehm von innen und außen


Das Giebelfeld ist schon mit Kalk verputzt, während unten noch der Lehm-Unterputz zu sehen ist. Foto: Martin BreidenbachNicht nur die Fassade zeigt Lehm nach außen. Auch im Inneren des gesamten Gebäudes sind alle Oberflächen konsequent aus Holz oder Lehm. Die Oberfläche ist in den Haupträumen ein Edelputz, in den Nebenräumen ein Streichputz auf GK-Platten oder eine Lehmfarbe auf dem Lehmputz. In kaum frequentierten Abstell- oder Technikräumen blieb auch der Oberputz stehen. Für die abschließende Putzschicht muss der Grundputz einheitlich trocken sein. Er wird dann gleichmäßig angenässt und der Putz aufgezogen.
Selbst der Handlauf der Haupttreppe ist aus dem relativ weichen Material. „Hier ist der Unterputz schön handschmeichlermäßig abgerundet“, schwärmt Brenkers. Er hat ihn dann mit Punischem Wachs zwei Mal eingelassen und etwas nachpoliert. In der Küche im Gruppenraum der Kleinsten ist die matte Lehmoberfläche unbehandelt. Sie wird überarbeitet, wenn sie unansehnlich geworden ist. Im Altbau fällt der museale Herdplatz ins Auge. Der doppelseitige Kamin in der Mitte des Mittelschiffs wurde originalgetreu wieder hergestellt. Die Esse hat Wilczek aus Holzwolle-Leichtbauplatten aufgebaut und beidseitig mehrlagig mit Lehm verputzt. Alle Kanten hat er auch hier freihand ausgeführt. Mit der Kelle beziehungsweisde der Latte hat er den Putz modelliert und den Radius sukzessive verfeinert. Die hydrophilen Oberflächen von Lehm und Holz sind bei normalem Gebrauch stets trocken und bieten Schimmel keine Lebensgrundlage. Zudem überleben Keime auf Holzoberflächen mit ihrem individuellen Milieu nur kurz. Durch die flächige Wandtemperierung kann die Lufttemperatur für ein Wohlfühlklima außerdem etwas geringer ausfallen. Die relative Luftfeuchtigkeit der kühleren Luft ist auch im Winter etwas höher als bei höherer Lufttemperatur. Dadurch sinkt Staub schneller zu Boden, die Luft ist keimfreier. Das alles seien Gründe, dass die Nutzer selten krank sind, meint der Planer. „Die Nutzer sagen, dass das Wohlfühlklima dazu führt, dass der Krankenstand bei Infektionskrankheiten von Kindern und Betreuern niedriger ist als in dem vorherigen Gebäude.“ Mit der Kita „Der kleine Wassermann“ hat er Baukultur erhalten und gesundheitsfördernd weitergebaut. Achim Pilz

Hydrophiler Lehm als Schimmelprophylaxe
In Fachwerkbauten hält Lehm seit Jahrhunderten die Konstruktionshölzer trocken. Denn er leitet Wasser kapillar und speichert Feuchtigkeit in seiner Matrix. In Innenräumen puffert er so Wohnfeuchtigkeit. Diese kondensiert auf kühlen Stellen. Die benetzbare Oberfläche des Lehms saugt das Kondenswasser in den Untergrund, in dem es sich verteilt. Beim Fallen der relativen Luftfeuchte durch lüften diffundiert es wieder in die Luft. Nach dem Prinzip des Lehms wurden saugfähige Putzsysteme mit hydrophilen – Wasser liebenden – Beschichtungen entwickelt, ein anhaltender Trend. Die außen, wie innen hydrophilen Oberflächen der Kita „Der kleine Wassermann“ sind anhaltend trocken und damit dauerhaft frei von Schimmel.

 

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