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8. April 2020
Redaktion

Innendämmung ist bewährt

Es gibt immer noch viele Vorbehalte gegen Innendämmung. Heiko Riggert ist im Verband Dämmsysteme, Putz und Mörtel für dieses Produktsegment verantwortlich. Außerdem ist er Produktmanager Wärmedämm-Verbundsysteme bei Sievert und seit vielen Jahren Fachmann für Innendämmung. Viele Argumente gegen Innendämmung seien überholt, sagt Riggert im Interview mit ausbau + fassade.


Foto: Heiko Riggert

Bei Stuckateuren gibt es viele Vorbehalte gegen Innendämmung. Argumente sind Komplexität und hohe Schadensanfälligkeit. Stimmt das oder sind das Vorurteile?
Das sind Vorurteile aus der Vergangenheit. Die heute am Markt verfügbaren Systeme haben sich  mitunter schon seit mehr als zwei Jahrzehnten bewährt. Die Funktionsweise der unterschiedlichen Systeme, von kapillaraktiv bis diffusionsdicht, sind als anerkannte Varianten zur energetischen Sanierung fester Bestandteil bei der Planung von Dämmmaßnahmen. Dazu beigetragen haben auch die zahlreichen Forschungsvorhaben und Dauerstandsversuche, die sich mit der Innendämmung und den bauphysikalischen Besonderheiten rund um das Wirkprinzip  und den Detailanschlüssen intensiv befasst haben.So kann ein Komplettsystem zur Innendämmung aufgebaut sein. Foto: Sievert

Wenn Sie sagen, dass das Vorurteile aus der Vergangenheit sind, warum kommt man denn dann trotzdem nicht richtig voran mit der Akzeptanz von Innendämmung?
Die Innendämmung ist als Ergänzung zum WDVS zu ­sehen, nicht als Konkurrenz. Es gab viele Vorurteile gegen Innendämmung wie Taupunktverschiebung und Feuchtigkeitsanreicherung in der Wand. Das hat sich aber gewandelt. Früher gab es sicher Installationen, bei denen Dämmschichten vor der Wand montiert wurden, ohne auf eine sichere Verarbeitung zu achten. Es gibt aber mittlerweile viele Forschungsarbeiten, die die Wirkungsweise unterschiedlichster Systeme untersucht und bewiesen haben. Seitdem ist der Markt kontinuierlich gewachsen. Die heutigen Lösungen sind bauphysikalisch ausgereift.

Das heißt Innendämmung schöpft das Marktpotential aus?
Wenn ich durch eine Stadt fahre und sehe, wie viel Potential da noch ist würde ich sagen Nein. Das hängt aber mit der allgemeinen Wohnsituation zusammen. Viele  Vermieter in Ballungsräumen „müssen“ ja gar nicht sanieren, weil sie die Wohnungen auch so wieder vermietet bekommen.  Wenn wir das wichtige Thema Behaglichkeit vermitteln könnten, hätten wir in den Großstädten ein  großes  Potential das wir heben könnten, denn die Innendämmung ist vergleichsweise schnell Raum für Raum beziehungsweise sukzessive bei einem Mieterwechsel umzusetzen.

Zu welchen Zusatzqualifikationen raten Sie Stuckateuren, die Innendämmung ausführen wollen?
Die Innendämmung ist keine komplexe Wissenschaft. Vielmehr geht es darum, ein  Grundverständnis zu den bauphysikalischen Gegebenheiten einer Innendämmung zu erlangen. Was passiert mit dem Temperaturverlauf im Wandquerschnitt wenn ich raumseitig dämme? Kann es bei der geplanten Nutzung zu einer Kondensatanreicherung kommen und welche Lösungsansätze bieten die unterschiedlichen am Markt etablierten Systeme? Diese Grundlagen werden von jedem verantwortungsvollem Anbieter am Markt im Rahmen von Schulungsveranstaltungen kommuniziert. Dabei sollte das Augenmerk aber nicht nur auf dem ungestörten Wandquerschnitt, sondern vielmehr auf den Detailausführungen und Anschlüssen und der Beurteilung des Schlagregenschutzes der Fassade liegen.  Mit diesem Hintergrundwissen, unter anderem neutral zusammengefasst und beschrieben in der Technischen Richtlinie zur Dämmung von Außenwänden mit Innendämm-Systemen, kann der Fachhandwerker eine Innendämmung sicher ausführen.

Innendämmung kann mit Platten erfolgen. Foto: Ytong MultiporFür wie hoch halten Sie den Anteil der Gebäude in Deutschland, die mit Innendämmung fit gemacht werden für die Klimaziele?
Seriösen Schätzungen nach werden zirka zwei Millionen Quadratmeter jährlich innen gedämmt. Tendenz steigend. Fakt ist aber, dass die Sanierungsquote noch steigen muss, um die Klimaziele zu erreichen.

Lassen sich mit Innendämmung hier die gleichen Energieeinsparungen erzielen wie mit einer Ertüchtigung der Außenwand mit einem Wärmedämm-Verbundsystem?
Nein. Bei der Innendämmung kommen in aller Regel geringere Dämmstoffdicken  zum Einsatz. Wir sollten die beiden Lösungsansätze aber nicht im Wettbewerb zueinander sehen. Wenn Sie die Möglichkeit haben das Gebäude von außen zu dämmen, dann ist das die beste Lösung. Der Wetterschutz der Fassade wird erneuert und Wärmebrücken nahezu ausgeschlossen. Innendämmung ist aber eine funktionale, etablierte und sichere Alternative. So können zum Beispiel erhaltenswerte Fassaden straßenseitig von innen gedämmt und die Gebäuderückseiten mit einem WDVS energetisch ertüchtigt werden.

Wie verhalten sich die Kosten von Innendämmung pro Quadratmeter zu einer Dämmung der Außenwand?
Aus den zuvor genannten Gründen stellt sich die Frage eigentlich nicht. Vielmehr ist die Wahl des Dämmsystems von den Randbedingungen abhängig. Ein Vorteil ist in jedem Fall der Entfall der Gerüstkosten.

Gibt es Standardlösungen für kritische Bereiche wie den Anschluss der Fenster?
Ja und nein. Natürlich gibt es Detaillösungen für Standardanschlüsse wie die Fensterlaibung. Diese muss immer mitgedämmt werden. Nur ist es von der Bestandsituation abhängig ob die Laibung ausreichend dick gedämmt werden kann. Drei Zentimeter wären ideal. Reicht der Platz aber nicht aus, können eventuell auch Dämmstoffe mit einer besseren Dämmleistung eingesetzt oder der Altputz in der Laibung entfernt werden. Daher gibt es nicht die „eine“ Standardlösung. Hier ist der Fachunternehmer gefragt.

Die Vermeidung von Hinterströmung ist wichtig. Foto: Knauf

Eignet sich Innendämmung vor allem für Gebäude mit historischen Fassaden die von außen nicht gedämmt werden können oder sehen Sie noch andere Einsatzfelder?
Das ist selbstredend der Klassiker. Aber auch das Vereinsheim, Versammlungsräume oder das Wochenendhäuschen bieten sich für eine Innendämmung an. Hier soll in möglichst kurzer Zeit der Raum temperiert werden. Dadurch, dass die Dämmung raumseitig angebracht ist, erfolgt dies viel schneller. Im innerstädtischen Bereich, wenn das Gebäude auf der Grenze steht oder es bei Durchfahrten auf den Hinterhof auf jeden Zentimeter  ankommt, ist Innendämmung oft die einzige Wahl.

Innendämmung verbraucht Wohnfläche. In welchen Fällen ergibt sie dennoch Sinn?
Ja, wo gehobelt wird, fallen Späne. Im historischen Gebäude oder im ländlichen Raum aber hilft die Innendämmung durch die Behaglichkeitsverbesserung das Objekt auf das heutig Komfortbedürfnis der Bewohner anzuheben und das Objekt überhaupt attraktiv für den Wohnungsmarkt zu machen. Ferner wollen wir doch unsere Klimaziele erreichen. Dazu reicht es nicht, nur die Fenster oder die Heizung zu modernisieren. Vielmehr sollte erst die energetische Sanierung erfolgen, anschließen kann die Heizungsanlage gegebenenfalls auch kleiner ausfallen.

Ist Innendämmung in Beständen von Wohnungseigentümergemeinschaften auch in einzelnen Wohnungen möglich?
Dämmschichten an Wänden und Decken gehören prinzipiell zum Gemeinschaftseigentum. Daher ist bei WEG die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft erforderlich. Der Beurteilung von Wärmebrücken, zum Beispiel im Eckbereich einer Wohnungstrennwand, kommt hier eine besondere Bedeutung zu.

Dämmputz ist eine platzsparende Option. Foto: Sievert

Ist die Innendämmung auch für einzelne Wohnungen eine Option?
Viele Wohnungsbauunternehmen mit großen Beständen haben das Thema  zur Schimmelprävention für sich entdeckt. An den neuralgischen Punkten / Kältebrücken in den Ecken an Wand oder Decke kommt es in Abhängigkeit der Nutzung und des Nutzerverhaltens mitunter zur Schimmelbildung. Eine der bauphysikalischen Eigenschaften der Innendämmung ist  die Oberflächentemperaturerhöhung der Außenwand. So kann sich dort, gegebenenfalls unterstützt durch eine Flankendämmung, kein Oberflächenkondensat mehr bilden und dem Schimmel ist eine wesentliche Grundvoraussetzung für das Wachstum genommen. Dies ist nicht nur ein wesentlicher Beitrag zur Wohnraumhygiene, sondern auch ein effektiver Bestandsschutz der Immobilie. Die Innendämmung einzelner Wohnungen ist also ein echtes Multitalent mit Behaglichkeitsverbesserung, Schimmelprävention und energetischer Sanierung.
Interview: Pia Grund-Ludwig

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