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31. Januar 2022
Redaktion

Faszination Kalk

Kalkmaterialien haben eine lange Tradition – aus gestalterischen und aus bauphysikalischen Gründen. Kalk bindet Farben, Spachtel, Schlämme und Putz, innen, wie außen. Additive erleichtern die Verarbeitung, können aber auch die Eigenschaften der Materialien gravierend ändern – eine Übersicht.

 

Foto: Manderscheid Architekten/Johannes M. Schlorke

Kalk ist einer der ältesten und bewährtesten Baustoffe überhaupt. Hergestellt wird er aus Kalkstein, gebrannt, gelöscht, gesumpft oder gemahlen. Putze aus Kalk sind relativ weich (siehe Tabelle 1), härten langsam und spannungsarm und sind dann sehr dauerhaft. Ausgereifte Kalkoberflächen reflektieren Licht aus der Tiefe des Materials heraus. Der sogenannte Kalklüstereffekt, das vielgerühmte Tiefenlicht, bildet sich erst nach der langsamen Auskristallisierung eines weich gebrannten Kalks. Die Kalkkristalle wachsen dann zusammen, bis sie Licht optisch sichtbar reflektieren. Durch den Kalklüstereffekt verliert eine Oberfläche ihre optische Dichte und erhält eine weiche, luftige Tiefe. Das scheinbar aus dem Untergrund kommende Licht lässt den Kalk leuchten. Einen ähnlichen Effekt kann man erzielen, wenn eine Kalkglätte mit dem Spachtel verdichtet wird. Auch dann entsteht ein warmer und freundlicher Ton. Da Kalk je nach Material mehr oder weniger weiß ist, entstehen durch Pigmentzugabe Pastelltöne. Nach dem Trocknen hellen sie nochmals auf. Mitunter ist auch ein Kalkweiß durch mineralische Beimischungen oder den Brand zart gelblich bis rötlich gebrochen.{pborder}

 

Vorbereitung und Untergründe

Oberflächen müssen so vorbereitet werden, dass der Kalk ausreichend darauf haften kann. Nicht tragfähige Malschichten, Verunreinigungen oder Trennschichten sind mechanisch zu entfernen. Nach dem Reinigen kann bei glatten bzw. stark saugenden Oberflächen ein Anrauen bzw. Grundieren nötig sein. Kalk eignet sich nicht für organische Untergründe. Da er alkalisch ist, können nur alkalistabile Pigmente verwendet werden. Grundsätzlich sind die Sicherheitsvorschriften sowie klimatische Gegebenheiten zu beachten.
 
Alter Chiemgauer Bauernhof, der außen und innen mit Sumpfkalk -renoviert wurde. Foto: lohei.de
 

Dauerhafte Kalkputze

Bei Kalkputzen unterscheidet man, je nach Zusammensetzung des Ausgangsmaterials, zwischen Luft- (CL), Dolomit- (DL), naturhydraulischen (NHL) und hydraulischen (HL) Kalken – mit zunehmender Härte. Kalke härten durch Feuchtigkeit und das CO2 in der Luft. NHL- und HL-Kalke härten zudem durch enthaltene Kieselsäuren, auch bei fehlender Luft. Kalkputze werden von innen nach außen (Spritzbewurf, Unter-, Oberputz) weicher eingestellt. Luftkalke bleiben nicht nur weicher, sondern sind auch diffussionsfähig, d.h. sie können Wasser (Tauwasser außen, Kondensat innen) gut aufnehmen, puffern und schnell wieder abgeben. (N)HL Kalkputze werden härter und in sich geschlossener.
 
Außendämmung eines Denkmals mit Schilfrohr als Putzträger, zwei- bis dreilagigem, ca. 6 cm starkem Kalkdämmputz (NHL, Romankalk, Blähglas, Zellulose, Weißzement), Kalk-Oberputz, Mineralfarbe. Standzeiten insgesamt vier -Wochen. Foto: Achim Pilz
 
Das Wachstum von Schimmelpilzen und Algen wird durch die Pufferung von Wasser im Zusammenhang mit der Alkalität von Kalk behindert. Deshalb brauchen die Putze keine biozide oder fungizide Ausrüstung. Sie können mit kalk- und lichtechten Pigmenten eingefärbt, und mit Kalk-, Kalkkasein- oder Silikatfarbe überstrichen werden. Zwischen den einzelnen Arbeitsschritten sind längere Trocknungs- und Abbindephasen nötig. Dabei ist darauf zu achten, dass der Putz nicht austrocknet und aufbrennt. Besonders bei Techniken, welche die Oberfläche vergrößern, wie Kammzüge oder Strukturputze, muss vor direkter Sonne und austrocknendem Wind geschützt werden, z.B. durch die Abplanung des Gerüstes. Dies erfordert eine gute und intelligente Planung. Wenn Kalkputze zu dick aufgetragen werden, können Spannungsrisse entstehen. Denn die Erhärtung läuft von außen nach innen ab. Tiefere Schichten bleiben dabei wesentlich länger weich.
 
Auf rein mineralische Untergründe wie Stein, Bruchsteinmauerwerk und Ziegel können Kalkputze direkt aufgebracht werden. Bei glatten Untergründen oder solchen mit Dispersionsanteilen braucht es eine Haftbrücke. Diese können neben Zement auch geringe Mengen an Acrylaten enthalten und ermöglichen den weiteren Putzaufbau mit einem reinen Kalksystem.
 
Die etwas dickeren Schichten aus Kalkschlämmen oder -streichputzen lassen den Untergrund hervortreten. Hier wurde das Material maschinell aufgespritzt und mit dem Quast verstrichen. Foto: Manderscheid Architekten Ritz- und Sgraffito-Motive – hier auf Tadelakt in einer marokkanischen Kasbah – werden in noch weichen Kalkputz gekratzt. Foto: Achim Pilz Weiterführung einer historischen Schablonentechnik mit Sumpfkalk in einem Chiemgauer Bauernhof. Foto: lohei.de

 

 

 

 

 

 

 

 

Harte Kalkzementputze

Kalkzementputze sind im wesentlichen Kalkputze mit Zementzusätzen. Sie haben bessere Haftungseigenschaften und können als Spritzbewurf zum anschließenden Auftrag von Kalkputzen dienen. Sie werden ähnlich wie diese verarbeitet, erhärten aber schneller, und sind härter und spröder. Auch können sie Wasser und Feuchtigkeit weniger gut leiten und puffern.
 
Tabelle 1: Druckfestigkeit verschiedener Kalkputze im Vergleich.
 

Gesundheitliche Vorteile

Reine Kalkbeschichtungen sind emissionsfrei und selbst für Allergiker geeignet. Kalk ist mit einem pH-Wert von über 12 hoch alkalisch. Dadurch wirkt er biozid. Er benötigt keine Konservierung im Topf und behindert an der Wand das Wachstum von Schimmelpilzen. Zudem sorgt die ausgeprägte Kapillarität einer Kalkoberfläche in Verbindung mit einem sorptionsfähigen Untergrund für einen ausgeglichenen Feuchtehaushalt und damit für ein gesundheitsförderndes Wohnraumklima – auch bei wasserdampfbelasteten Räumen.
 

Reiner Sumpfkalkanstrich

Für einen Seccoanstrich (auf getrocknetem Untergrund) mit reinem Sumpfkalk verwendet man am besten drei Jahre gereiften Kalk, für einen haltbareren Freskoanstrich (auf noch feuchtem Untergrund) noch älteren. Je älter der Sumpfkalk ist, umso feiner und damit glasiger ist er. Die bis zu sechs Anstriche sollten dünn und gleichmäßig aufgetragen werden. Anders als die meisten anderen Farben deckt Sumpfkalk im feuchten Zustand kaum. Für einen Seccoanstrich genügen zirka drei Anstriche. Zuerst wird der Untergrund angefeuchtet – am besten mit Kalksinterwasser (Wasser mit Kalkhydrat gesättigt), dann wird er bereits vorgefestigt. Nach den Anstrichen sollte jeweils nachgefeuchtet werden, damit die Anstriche so langsam wie möglich trocknen. Nur so kann die Härtung mit Ausbildung von Mikroporen stattfinden, ohne dass der Schwund zu groß wird. Ansonsten würde die Farbe aufbrennen. Wenn ihre Struktur zerreißt, kann sie kreiden, schuppen oder gar abplatzen. Bis zu 10 % kalkbeständige Pigmente können nach DIN 459-1 beigemischt werden. Übermäßige Zugabe von Pigmenten reduziert Bindewirkung und Witterungsbeständigkeit. Stark pigmentierte Putze wie der rote Schlämmputz in Augsburg, werden mit einer speziellen Sieblinie rezeptiert.
 
Tabelle 2: Zusammensetzung und Eigenschaften verschiedener Materialien für Kalkoberflächen. Quelle: Schneider, Pilz: „Wohnung + Gesundheit“ 150.
 

Zusätze verbessern die Verarbeitbarkeit

Seit jeher wurde versucht, die Verarbeitung von Kalkfarben zu vereinfachen und ihre Haltbarkeit zu verbessern. Anfangs waren es natürlich vorkommende organische Hilfsmittel, vor allem Leinöl und Kasein, mit denen die Schichtdicke und Abriebfestigkeit erhöht wurden. Auf diese Weise wird auch eine höhere Pigementierung der Farben ermöglicht.
 
Heute werden neue Zusatzstoffe eingesetzt. Sowohl Cellulosen als auch Acrylate verbessern die Bindekräfte und das Wasserrückhaltevermögen eines Produkts, so dass es nicht mehr so leicht aufbrennt. Bei der Verarbeitung wird ein Teil des enthaltenen Wassers zurückgehalten und beim Aushärten langsam an die Beschichtung zurückgegeben. So sind die Produkte verwitterungsresistenter und bis zu Volltönen pigmentierbar. Moderne Kalkspachtel lassen sich in sehr dünnen Schichten verarbeiten. Im Innenbereich kann ein Vor- und Nachnässen entfallen. Im Außenbereich, wo eine frostfeste Beschichtung gefordert ist, empfiehlt ein Hersteller ein mehrmaliges Nässen und zudem einen Verschnitt mit 3 % Kunststoffdispersion sowie eine abschließende Hydrophobierung.
 
Soll das Produkt baubiologischen Kriterien entsprechen, sollten möglichst wenig Acrylate enthalten sein, auch, da sie oft weitere Additive nötig machen. Zellulose ist ökologischer und wird aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Farben werden heute zudem mit Marmormehlen – auch Calciumcarbonate genannt – gefüllt, damit sie besser decken. So genügt ein zweimaliger Auftrag. Durch ihre verbesserten Bindekräfte lassen sie sich auch auf Mischuntergründe auftragen oder mit feinen Sanden füllen. Dadurch entstehen eine rustikalere Anmutung und eine interessante Oberfläche.
 
Die Ziegel des klassizistischen Gebäudes in Augsburg wurden laut Befund extrem dunkel gestrichen. Das Rotbraun und die Fensterumrahmung sind Kalk-Schlämmputz. Die Pfeiler sind aus Kalkstuck gezogen. Foto: Solubel Kalkfarben mit Kaseinzusatz haben eine samtige Oberfläche wie hier bei der Nikolaikirche in Leipzig. Foto: Kreidezeit

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dekorative Beschichtungen mit Kalkprodukten

Die vielfältigen traditionellen Dekorbeschichtungen wie Calce Rasato oder Marmorino werden heute so rezeptiert, dass sie einfacher zu verarbeiten sind. Baubiologische Produkte mit natürlichen Rohstoffen werden ebenso angeboten wie solche mit petrochemischen Additiven. Kunststoffdispersionen können auch die optischen Eigenschaften verändern, so dass das magische Tiefenlicht und die einmalige Brillanz gedämpft werden. Das gilt auch für die historische Technik des Tadelakts. In seinem Ursprungsland Marokko kommt dafür ein hydraulischer Naturkalk zum Einsatz, der heute allerdings meist nachgestellt wird. Durch seine puzzolanischen Beimischungen härtet er bei entsprechender Verdichtung wasserdicht aus. 
Achim Pilz
 
 
 
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Foto: kuraphoto/AdobeStock_428914080
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