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19. Juni 2020
Redaktion

Der Umwelt zuliebe

Umweltkennzeichen, kurz Umweltzeichen, sollen umweltrelevante Informationen zu einem Produkt zur Verfügung stellen. Gleichzeitig sollen sie durch festgelegte Vergabekriterien und stetig steigende Anforderungen einen Anreiz schaffen, die Qualität von Produkten oder Produktinformationen kontinuierlich zu erhöhen.
Foto: Gänßmantel

Mittlerweile haben sich auf dem Markt diverse Umweltzeichen etabliert, mit denen Hersteller ihre Produkte kennzeichnen können. Wie unterscheiden sich diese und welche Vor- und Nachteile weisen die verschiedenen Typen von Umweltzeichen auf? {pborder}

 
Welche Umweltkennzeichen gibt es?
Wie soll man die Umweltwirkung von Produkten und Dienstleistungen unabhängig, objektiv und neutral bewerten? Diese Frage tauchte erstmals in den 1970er-Jahren auf, als man mit wachsendem Umweltbewusstsein zunehmend umweltfreundliche Produkte kaufen wollte. Das erste Umweltzeichen weltweit war „Der Blaue Engel“, der 1978 in Westdeutschland eingeführt wurde.  Heute ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) der Zeicheninhaber und legt die Grundsätze zur Zeichenvergabe fest; das Umweltbundesamt (UBA) erarbeitet die fachlichen Kriterien für die Zertifizierung und überprüft diese regelmäßig. Über 12000 umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen von rund 1600 Unternehmen – von A wie Allzweckreiniger über Lacke und Putze bis hin zu Z wie Zeitschriften – sind mittlerweile mit dem Blauen Engel ausgezeichnet. Doch wie lassen sich umweltfreundliche Baustoffe aus dieser Masse herausfiltern? Die verschiedenen Typen von Umweltzeichen für produktbezogene Umweltinformationen sind durch Normen und Richtlinien in der internationalen Normenreihe ISO 14000 und darin vor allem durch die Reihe ISO 14020 geregelt. Bei der umweltbezogenen Kennzeichnung gibt es verschiedene Ansätze, wie solche Informationen entwickelt und genutzt werden können: Rahmenbedingungen für Umweltaussagen, die Hersteller selbst für ihre Produkte treffen, werden in DIN EN ISO 14021 vorgegeben; sie werden als Typ-II-Umweltzeichen bezeichnet (Anbietererklärungen). Diese konzentrieren sich häufig auf einen einzelnen Umweltaspekt, liegen als freiwillige Selbsterklärung in alleiniger Verantwortung des Herstellers und wenden sich meistens an Verbraucherinnen und Verbraucher. Beispiele sind Aussagen wie „100 % Rezyklatanteil“ oder „biologisch abbaubar“. Umweltkennzeichen Typ I und Typ III sind von unabhängigen Dritten vergebene Kennzeichen hinsichtlich bestimmter, über den gesamten Lebenszyklus ermittelter Kriterien. Umweltzeichen Typ I nach DIN EN ISO 14024 weisen eine besondere Umwelt-Qualität aus, das heißt sie kennzeichnen Produkte, die im Vergleich zu anderen Produkten gleichen Nutzens umweltverträglicher sind. Sie wenden sich an private und gewerbliche Verbraucher. Beispiele sind das Umweltzeichen Der Blaue Engel oder das natureplus-Qualitätszeichen. Umweltzeichen Typ III nach DIN EN ISO 14025 basieren auf Ökobilanzen und liefern umfangreiche quantitative Informationen; Umweltwirkungen werden nicht wertend dargestellt. Sie wenden sich an Hersteller, Gewerbe und Handel und weniger an Verbraucherinnen und Verbraucher und finden insbesondere im Bausektor Anwendung. Ein Typ-III-Umweltzeichen ist zum Beispiel eine sogenannte Umweltproduktdeklaration (kurz auch EPD für Environmental Product Declaration).
 
Was ist eine EPD/Umwelt-Produktdeklaration?
Eine Umwelt-Produktdeklaration ist die Zusammenstellung aller umweltrelevanten Eigenschaften eines Produktes. Das reicht vom Energieverbrauch bei der Herstellung, den Belastungen für Klima, Boden und Grundwasser, den Inhaltsstoffen, über die Emissionen in die Innenraumluft, bis zur möglichen Radioaktivität. Die Daten und die Vollständigkeit der Erklärung werden von einem unabhängigen Institut geprüft. Sie kann nur für ein bestimmtes Produkt oder eine Produktgruppe erarbeitet werden. Das erfordert erheblichen Aufwand. Dazu gehört zum Beispiel eine vollständige Ökobilanz.
 
Wer zertifiziert die Umwelt-Produktdeklaration?
In Deutschland werden Umwelt-Produktdeklarationen vom Institut für Bauen und Umwelt (IBU) e.V. Berlin zertifiziert. Das IBU verfügt über unabhängige Sachverständigengremien, von denen die vorgelegten Umwelt-Produktdeklarationen nach den genannten Normen unabhängig geprüft werden. Führt die Prüfung zu einem positiven Ergebnis, wird die vorgelegte Umwelt-Produktdeklaration zertifiziert. 
 
Im Lebenszyklus des Gebäudes denken
Viele Umweltzeichen für Baustoffe bewerten einseitig bestimmte Eigenschaften qualitativ. Was für Lebensmittel oder sonstige Gebrauchsartikel vielleicht noch sinnvoll ist, führt bei Baustoffen in der Regel in die Irre. Wie umweltfreundlich oder ressourcenschonend bestimmte Materialien sind, hängt stark von den Gebäuden ab, in denen sie verbaut beziehungsweise verwendet werden. Das IBU erklärt diesen Zusammenhang an folgendem Beispiel: Ein Iglu wird typischerweise von Hand und aus nur einem einzigen Baustoff hergestellt: Schnee – ein umweltfreundliches Naturprodukt, das vollständig recycelt werden kann. So gesehen sind der Baustoff Schnee und das Gebäude Iglu – aus ökologischer Sicht – nachhaltig. Das gilt aber nur unter gewissen Bedingungen. Würde man ein Iglu in einer Klimazone errichten, in der es nur wenig oder gar nicht schneit, müsste der Schnee unter großem Energieaufwand produziert oder importiert werden und das Iglu würde schon nach kurzer Zeit schmelzen, wenn der Schnee nicht gekühlt oder permanent ausgetauscht würde. 
 
Muster-EPDs für Mauer-, Putz- und Estrichmörtel
Bauprodukte sind somit keine Endprodukte und ihr Einfluss auf die Umwelt hängt stark davon ab, wie, wo und wofür sie verwendet werden. Deshalb müssen Baustoffe, die auf den ersten Blick umweltfreundlich wirken, nicht automatisch eine Garantie für nachhaltiges Bauen sein. Und deshalb gibt es die EPDs: Sie enthalten die unabhängigen Daten, die zur Berechnung und Bewertung von Umwelteinflüssen im konkreten Fall benötigt werden.Bereits im Zeitraum 2006–2008 hat der damalige Industrieverband Werkmörtel (IWM) e.V. – heute der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM) e.V. – als einer der ersten Verbände für seine Mitglieder so genannte Muster-Umweltproduktdeklarationen (kurz Muster-EPDs) erarbeiten lassen. Bei dieser Version 1.0 wurden für die drei Werkmörtelbereiche Mauer-, Putz- und Estrichmörtel an mehr als 30 konkreten, repräsentativen Produktrezepturen durch das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP in einem groß angelegten Forschungsprogramm die wesentlichen Umweltwirkungen mineralischer Werkmörtel gemessen. Gleichzeitig wurden mit diesen Rezepturen Ökobilanzen erstellt, die Umweltwirkungen berechnet und der zulässige Streubereich der Ergebnisse entsprechend den unterschiedlichen Mörtelbereichen ausgewertet. Die Idee dabei war, den inhaltlichen und formalen Rahmen zu schaffen, um den Mörtelherstellern den Zugang zu EPDs zu erleichtern, wenn sie diese für Produktrezepturen beantragen, die von den Muster-EPDs abgedeckt werden. Dieses Paket an Muster-EPDs wurde regelmäßig – jeweils nach Ablauf des Gültigkeitszeitraums von fünf Jahren – aktualisiert und angepasst. Im Spätherbst 2019 wurde die letzte Aktualisierung durchgeführt. Nun liegen die Muster-EPDs Version 3.0 vor, die eine Gültigkeit bis November 2024 haben. Komplett neu aufgesetzt und gestaltet wurde generell das Punkte- bzw. Bewertungssystem, mit dem überprüft wird, ob eine Produktionsrezeptur in den Bereich der jeweiligen Muster-EPD passt. In allen EPDs wurde der Gültigkeitsbereich überarbeitet und neu formuliert. Die Produktbeschreibungen und die bautechnischen Daten wurden an die aktuell gültigen Deklarationsformate/Produktkategorieregeln (Product Category Rules – PCRs) angepasst. Das Kapitel Grundstoffe/Hilfsstoffe wurde um die Angaben zu besorgniserregenden Stoffen ergänzt. Die Ökobilanzen für alle Werkmörtel-Gruppen wurden aktualisiert und neu berechnet, außerdem die CO2-Einspeicherung für alle drei Produktgruppen in der Ökobilanz überarbeitet. Je nach Produktgruppe können bis zu 30 % der entstehenden CO2-Emissionen während der Nutzung kompensiert werden. Bei den Nachweisen wurden Hinweise zur Auslaugung als zusätzliche Szenariobeschreibung nach der Nutzung ergänzt. Schließlich wurden auch sämtliche Literaturquellen aktualisiert und neu gekennzeichnet. Die aktuellen Muster-EPD‘s können im Internet unter https://www.vdpm.info/services/downloads/upd/ abgerufen werden.

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Wem die Umwelt-Produktdeklaration helfen kann 
Die Umwelt-Produktdeklaration ist wie ein „Ausweis“, der alle umweltrelevanten Daten eines Baustoffes enthält, vergleichbar mit einem Kfz-Brief, der alle wichtigen Fahrzeugdaten dokumentiert. Sie stellt glaubwürdige und vergleichbare Informationen über die Umweltleistung von Produkten über den Lebenszyklus eines Produktes zur Verfügung und beschreibt die möglichen Gesundheitsrisiken. Angesprochen werden alle am Bau Beteiligten:
  • Hersteller von Bauprodukten stellen mit EPDs Informationen über ihre Produkte bereit, können sie zu Marketingzwecken einsetzen, gestalten ihre Unternehmensführung vorausschauend und können sie intern als Steuerungsinstrument zur Weiterentwicklung ihrer Produkte nach ökologischen Kriterien nutzen.
  • Architekten und Planer setzen EPDs als Grundlage für die Berechnung der Ökobilanz von Gebäuden ein. Sie ist Voraussetzung für die eine „Nachhaltigkeitszertifizierung“ von Bauwerken.
  • Ausschreibende setzen EPDs für Ausschreibungen ein. Sie steuern und prüfen damit umweltbezogene Vorgaben für die Gebäudeplanung.
  • Immobiliengesellschaften und Bauherren bewerten ihre Investitionen und Objekte. Diese lassen sich zunehmend besser vermarkten, wenn sie als nachhaltige Gebäude konzipiert und zertifiziert sind.
  • Handel und Endverbraucher finden in EPDs unabhängig und neutral geprüfte umweltrelevante Produktinformationen.
Nutzen für den Stuckateur
Eine EPD ermöglicht dem Stuckateur eine fundierte und freie Produktauswahl, losgelöst von einem spezifischen Anwendungsbereich. Die unabhängige Verifizierung garantiert eine hohe Vertrauenswürdigkeit der enthaltenen Informationen. Eine oft als Nachteil empfundene Eigenschaft dieses Typ-III-Umweltzeichens ist die fehlende Bewertung eines Produktes; das Vorhandensein einer Deklaration sagt noch nichts über die Umweltfreundlichkeit des Produktes aus. Der Stuckateur muss daher die Informationen eigenständig auswerten und seine Schlüsse daraus ziehen. Dies ermöglicht ihm jedoch, eigene Bewertungsmaßstäbe anzulegen und die Produktauswahl auf relevante Eigenschaften zu stützen. Damit kann sich der Fachunternehmer mit einem fundierten Beratungswissen ausweisen. Wenn zum Beispiel ein Bauherr wissen möchte, ob sich der Primärenergieeinsatz für den Dämmstoff seiner Wahl „lohnt“, das heißt wieviel Primärenergie bei Verwendung des Dämmstoffs in der Nutzungsphase eingespart werden kann, liefert die EPD die Fakten dafür. 
 
Fazit
Umweltkennzeichnungen leisten einen wertvollen Beitrag bei der Auswahl umweltfreundlicher Bauprodukte. Ihre Anwendungsbereiche reichen von der übersichtlichen Verbraucherinformation bis hin zur Nachweisgrundlage bei Gebäudezertifizierungen. Bei der Bewertung einzelner Zeichentypen müssen der jeweilige Zweck und die zu bewertende Produktart berücksichtigt werden: Während Umweltzeichen der Typen I und II vor allem für Endprodukte geeignete Bewertungsmaßstäbe für eine Kaufentscheidung beinhalten, können Umweltkennzeichen des Typs III als wichtige Nachweisgrundlage für Produkte dienen, deren endgültiger Zweck erst auf Gebäudeebene erreicht wird.
Jürgen Gänßmantel 
 
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Foto: kuraphoto/AdobeStock_428914080
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