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25. Mai 2020
Redaktion

Interview: Haftbrücken, die große Unbekannte?

Der Internationale Sachverständigenkreis (ISK) hat sich immer wieder mit Problemen bei Haftbrücken befasst. Michael Hladik hat dazu umfangreiche Tests selbst ausführen lassen und berichtet im exklusiven Interview mit ausbau+fassade über Ergebnisse und Schlussfolgerungen daraus.
Foto: Michael Hladik
 
Sie haben umfangreiche Tests zum Thema Haftbrücken durchgeführt. Was war der Auslöser für diese Tests?
Einleitend darf ich konkretisieren, dass es ausschließlich um Haftbrücken geht, die vor dem Auftragen von Innenputzen an Betondecken oder Betonwänden appliziert werden. An mehreren Baustellen kam es zehn bis zwölf Tage nach der Applikation eines Innenputzes zu partiellen Putzablösungen. Das hat labortechnische Untersuchungen zur Folge, deren Ergebnisse wir im ISK diskutierten. Damit haben wir der schon seit vielen Jahren geführten Diskussion um Sinn und Wirkung von Haftbrücken eine neue Dynamik verliehen. {pborder}Warum diese Diskussion in unterschiedlicher Intensität geführt wurde und wird, hängt mit der Häufigkeit von aufgetretenen Mängeln und Schäden zusammen. Die in kürzeren und längeren Zeitabschnitten erschienenen Aufsätze in Fachzeitschriften, sowie Merkblätter und Richtlinien der Industrien könnte man als Messeinheit für die Schadenshäufigkeit sehen. Älteste kritische Kommentare gab es bereits 1985 in Schweizer Fachmedien. Wenn weniger darüber gesprochen wird, heißt das nicht, dass es weniger Schadensfälle gibt, sondern ist darauf zurückzuführen, dass sich die Bauweise geändert hat. Im Betonbau werden vorwiegend Betonfertigteildecken eingesetzt, deren sehr glatte Untersichten nicht mehr verputzt, sondern meist nur noch gespachtelt werden. Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, dass Haftbrücken für Innenputze die einzigen Komponenten in den Putzsystemen sind, deren Eigenschaften und Anforderungen weder durch eine Norm noch durch eine verbindliche Richtlinie definiert werden. Dennoch wird die Verwendung der Haftbrücken zwingend vorgeschrieben. Das Besondere an den Schadensfällen, die zur aktuellen Diskussion führten, ist, dass es sich nicht, wie bisher fast immer, um Ablösungen von gipshaltigen Deckenputzen handelte, sondern um Kalkzement-Innenputz der an Betonwänden aufgebracht wurde. Eine weitere Besonderheit war, dass der sehr erfahrene Fachunternehmer, in dessen Bereich diese Schäden aufgetreten sind, Zweifel an den erhaltenen Putzempfehlungen des Herstellers hatte und Bedenken anmeldete. Eine schriftliche Bestätigung seitens dieser Putzindustrie zerstreute die Bedenken, weil sie die zuvor mündlich gegebene Putzempfehlung bestätigte. Das Schadensausmaß, also die Sanierungskosten dieser Schadensserie, betrugen zirka 370000 Euro.
 
Vorbereitung zum Haftzugversuch.	 Foto: Michael HladikWas genau und wie haben Sie getestet?
Wir haben versucht, die Eigenschaften der gegenständlichen Haftbrücke und weitere zehn Haftbrücken aus Deutschland, Österreich, Italien und aus der Schweiz festzustellen. Wir machten zuerst Versuche an den Haftbrücken selbst, indem wir diese auf Glasplatten auftrugen und nach entsprechender Standzeit befeuchteten. Glas ist ein inerter Untergrund. Anschließend prüften wir deren Haftung beziehungsweise deren „Auflösung“. Da diese Produkte ja wasserlöslich sind, lassen sie sich nach einer gewissen Zeit mit den Fingern abreiben. Anschließend machten wir vergleichbare Tests mit den Haftbrücken auf Betonplatten und schließlich auch am gesamten Putzsystem. Das heißt, wir haben zuletzt auch Haftzugversuche gemacht.
 
Wie waren die Ergebnisse?
Die Ergebnisse waren so unterschiedlich, wie die Produkteigenschaften der Haftbrücken, also deren Zusammensetzungen selbst es waren. Die Unterschiedlichkeiten lassen keinen direkten Vergleich der Ergebnisse zu. Was allerdings völlig zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, ist der negative Einfluss von Feuchtigkeit auf die Haftbrücken.
 
In welchen Zeiträumen treten Probleme mit Haftbrücken typischerweise auf?
Das kann man nicht auf Zeiträume eingrenzen. Vorrangig ist es Einwirkung von Feuchtigkeit aus Betondecken oder Betonmauerwerk. Das kann ausdiffundierende Feuchtigkeit aus dem Untergrund sein, aber auch Luftfeuchtigkeit aus dem Innenraum, wenn nachfolgende Bauleistungen wie zum Beispiel Estrich den Austrocknungsbestrebungen des Putzes entgegenstehen. Dazu kommt, dass nach dem Innenputz für eine gute Belüftung Sorge getragen werden sollte, das Gewerk Estrich aber genau das Gegenteil verlangt.
 
Gegenüberstellung der Ergebnisse der ISK-Nachstell- und Laborversuche. Die Gegenüberstellung lässt erkennen, dass trotz bemerkenswerter Unterschiede keine qualifizierenden Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Foto: Michael HladikKonnten Sie Bedingungen definieren unter denen sich Fehler häufen?
Es gibt Haftbrücken, die auf den Einfluss von Feuchtigkeit empfindlich und schnell reagieren, andere wiederum reagieren stark zeitverzögert. Ohne Reaktion auf Feuchtigkeit blieb keine der getesteten Haftbrücken. Das ist insofern von Bedeutung, weil es sein kann, dass eine ausgeführte Putzfläche unter zuerst günstigen Voraussetzungen aufgebracht wurde, später aber zum Beispiel durch nachstoßende Feuchtigkeit aus dem Kern eines Betonbauteils beeinträchtigt wird.
 
Was sind Ihre Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen Ihrer Untersuchungen?
Es ist mehr als dringend erforderlich, dass sich die Putzindustrie mit Fachunternehmern und Sachverständigen zusammensetzt um die Anforderungen und Eigenschaften zu definieren und in internationalen Regulativen festzuschreiben. Dies darf aber nicht nur aus der vorrangigen Sicht des Marketings erfolgen, sondern auf Basis nachvollziehbarer Versuchsreihen. Es muss ja nicht immer eine zeitaufwändige Normung sein, eine unmissverständliche Richtlinie würde schneller wirksam sein und könnte effizienter neuen Erkenntnissen angepasst werden.
Weitere Untersuchungen, vor allem vertiefte Laboruntersuchungen und auch Langzeitversuche sollten erfolgen, doch stellt sich dabei die Frage, wer macht diese, wer beauftragt sie und vor allem: wer bezahlt sie.
 
Vorbereitung für die Haftzugversuche mit unterschiedlichen Produkten. Foto: Michael Hladik Putzablösung von der Haftbrücke. Foto: Michael Hladik

Sind Sie dazu mit den Anbietern in Kontakt und wie sind deren Reaktionen?

Wir haben 23 leitende Personen von 14 Putzherstellern aus Deutschland, aus der Schweiz, aus Österreich und Italien zu einem ISK-Industrie-Dialog in die Schweiz eingeladen. Die Einladung war mit einem Fragenkatalog gekoppelt. Die Eingeladenen wurden gebeten, ihre Antworten noch vor der Konferenz zu beantworten. Nur zwei Putzhersteller machten sich die Mühe, unsere 15 sehr spezifischen Fragen zu beantworten. Die Antworten waren aber auch nicht von so einer Klarheit, dass man daraus hätte Konstruktives ableiten können. Im Gegenteil, die beiden Antwortkataloge ließen eher erkennen, dass sich keiner vom anderen über die Schulter schauen lässt. Zum Dialog selbst kamen dann zehn Personen von nur sieben verschiedenen Industriepartnern. Doch kann man – jetzt im zeitlichen Abstand gesehen – den Schluss ziehen: Die Industrievertreter kamen ins Appenzeller Land um zu erfahren, was denn diese ISKler so alles schon wissen. Sie sind an einer echten Problemlösung eigentlich gar nicht interessiert. Der Dialog dauerte einen ganzen Tag. Am Tagesende vereinbarten wir eine Blind-Versuchs-Reihe, bei der von uns neutralisiert verpackte Haftbrücken verschickt werden und von jedem Hersteller-Labor geprüft werden sollten. Von uns, wie vereinbart, vorbereitete Proben wurden letztlich nicht verschickt, weil von den zuvor sieben Zusagen der Industrie letztlich nur eine übrig blieb, die zur Vereinbarung stand. Die vorbereiteten Haftbrückenproben mussten letztlich ohne irgendein Ergebnis entsorgt werden. Das bestätigte meine gemachte Behauptung, dass kein Interesse an einer Problemlösung vorliegt.
 
Können Sie daraus Hinweise für ausführende Unternehmen ableiten?
Aus heutiger Sicht kann man Fachunternehmern nur empfehlen, bei ihren Putzlieferanten, nein nicht bei den Lieferanten, die ja auch Händler sein könnten, sondern beim Hersteller des Putzes eine schriftliche Putzempfehlung anzufordern und mit dem Putzhersteller, gemeinsam mit dem Auftraggeber eine Untergrundbeurteilung samt Freigabe vorzunehmen. Gerade in der gegenwärtigen Zeit des schnellsten Bauens besteht die Gefahr, dass Feuchtigkeitseinflüsse die Haftmechanismen von Haftbrücken stören. Ich verweise dazu auf den auch für reine Praktiker sehr verständlichen Fachartikel im Heft 04.2018 von ausbau + fassade. Mit der Frage „Haftbrücken: Ist schlampig besser?“ erklärt unser ISK-Mitglied, Frau Kerrin Lessel, die maßgeblich an den erwähnten Laboruntersuchungen beteiligt war, die Haftungs- und auch Schadensszenarien. Lessel ist als Gerichtssachverständige eine anerkannte Expertin für Laboranalysen.
 
Welche Vorgangsweise empfehlen Sie, wenn es zu Problemen und Schäden bei Haftbrücken kommt?
Jedenfalls die Beiziehung eines nicht nur fachkompetenten, sondern speziell mit Haftbrücken bereits erfahrenen Labors.
Interview: Pia Grund-Ludwig
 
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Foto: kuraphoto/AdobeStock_428914080
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