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1. Januar 2015
Redaktion

Streitthema Oberflächenqualität

Im Baugeschehen werden häufig unterschiedliche, oft subjektive Maßstäbe angesetzt, die sich neben der Ebenheit vor allem an optischen Merkmalen orientieren. Obwohl die verschiedenen Merkblätter »Oberflächen« der Gipsindustrie viel zur Eindeutigkeit der Leistung beigetragen haben, ist der Streit nicht völlig verebbt. Autor Ralf Schneider schafft Klarheit.


Foto: Knauf

Aus der ständigen, bundesweiten Befassung des Autors mit diesem ästhe­tischen Problem ist eine leidige Erfahrung entstanden: Qualitätsstufe Q2 + Q3 im Gewerk Trockenbau und Putz, ­sowie lediglich ein Dispersionsanstrich, das wird die Bestellererwartung in der ­Regel nicht erfüllen. Q4 ist ein Muss. Es kommt zu Streitigkeiten und Abnahmeverweigerungen – dies muss mittlerweile in Fachkreisen bekannt sein.
Schon vorab: Um diesem Problem zu begegnen, müssen sach- und fach­gerechte Vorgaben (Werkverträge) ­geschlossen und unmissverständliche Ausschreibungen ausgearbeitet werden. Die Bewertungskriterien müssen den Beteiligten bekannt sein und geeignete Musterflächen (an problematischen Bauteilen mit Streiflichtbeeinflussung) müssen einem Besteller/Auftraggeber die zu erwartende Oberflächenqualität verdeutlichen. Solche Musterflächen müssen nachweislich dokumentiert und bis zur Abnahme erhalten bleiben. ­Ursachen für Baustreitigkeiten der vorbeschriebenen Art sind im Folgenden aufgeführt.

Indirekte nicht beeinflussbare Faktoren
• Wachsende Ansprüche der Auftrag­geber in Verbindung mit dem Wunsch nach einer absolut makellosen Oberfläche. • Sehr häufig vorzufindende natürliche Streiflichtsituation, verursacht durch großformatige und/oder flächenbegrenzende Fensterkonstruktionen, welche zu einer stärkeren Abzeichnung aller »Untergrundsünden« führen sowie Streiflicht verur­sachende Lichtinstallationen.

Direkte bedingt beeinflussbare Faktoren
• Die Untergrundvorbereitung sowie die Untergrundsaugfähigkeit. Eine Egalisierung und Minderung der Saugfähigkeit durch eine vorschrifts­mäßige Grundierung vor der Deckbeschichtung ist zwingend notwendig. Laut den Vorgaben im Merkblatt 6 des Bundesverbandes der Gipsindus­trie und BFS-Merkblatt Nr. 12 (Bundesausschuss Farbe und Sachwertschutz).
• Glänzende beziehungsweise Beschichtungen mit mittlerem Glanz zeigen ­Untergrundunregelmäßigkeiten deut­licher als matte oder stumpfmatte ­Beschichtungen.
• Die Verarbeitungstechnik, das Applikationsverfahren der Beschichtung. Nicht spritzen, sondern (leicht strukturiert) walzen.

Klare Vereinbarungen treffen
Um Streitigkeiten in der Bauendphase und eine Realisierung der angestrebten Gestaltungsidee zu erzielen, ist es unabdingbar, während der Planungsphase Endbeschichtungen oder Bekleidungen genau zu definieren und die hierfür entsprechend notwendigen Oberflächenqualitäten des Untergrundes zu planen und auszuschreiben. Der Planer muss im Hinblick auf die Endbeschichtung und die zu erwartenden Lichtverhältnisse die entsprechende Qualitätsstufe der Oberflächen in der Ausschreibung vorgeben.
Entsprechend den Ausführungsstufen sind die gewünschte Verspachtelung beziehungsweise die angestrebte Oberflächengüte, erforderlichenfalls auch die Art der Ausführung festzulegen und vertraglich zu vereinbaren. Bei Q4 ­müssen die Beleuchtungsverhältnisse, wie sie bei der späteren Nutzung auftreten, im Leistungsverzeichnis ­beschrieben sein. Auch müssen die nachfolgenden Wandbekleidungen oder Anstriche/Beschichtungen explizit ­benannt werden. Eine allgemeine ­Benennung ist unzureichend. Im Einzelfall sind bei Planung und Ausschreibung die speziellen Eigenschaften der vorgesehenen Schlussbeschichtung und das Erscheinungsbild im Nutzungszustand zu berücksichtigen. In Verbindung mit der Qualitätsstufe 3 sollten erhöhte Ebenheitstoleranzen nach DIN 18202, Tabelle 3, Zeile 7 und bei Qualitätsstufe Q4 müssen diese vertraglich vereinbart werden. Begriffe wie »malerfertig«, »streichfertig«, »tapezierfertig« oder »oberflächenfertig« oder Ähnliches sind in diesem Zusammenhang ­ungeeignet, um die zu erbringende ­Leistung zu beschreiben. Planer/Ausschreibende werden auf die Vorgaben der VOB/A § 7 hingewiesen – die ­Beschreibung der Leistung hat eindeutig zu erfolgen.

Aus Erfahrungen lernen
Sind im Leistungsverzeichnis keine hinreichenden Angaben wie die zuvor genannten enthalten, dann gilt stets die Qualitätsstufe Q2 (Standardverspachtelung) als vereinbart [Quelle: Merkblatt Nr.2 des Bundesverbandes der Gipsindustrie]. Das Finishgewerk (Stucka­teure/Maler) sollte aus diesen Erfahrungen immer richtig und nachweislich ­Bedenken ­anmelden und entsprechende Hinweise vortragen, wenn Vorbeschriebenes nicht eingehalten wurde. Gerade dann, wenn in Fluren künstliches, starkes Streiflicht vorhanden ist und dies nicht in den vertraglichen Vereinbarungen explizit erwähnt ist.
Am Schluss noch einige wesentliche Punkte zur Beurteilung einer Verwendungseignung (nicht einer vereinbarten Beschaffenheit):
Leistungen der vorbeschriebenen Art (Putz, Trockenbau, Maler- und Lackier­arbeiten sowie Tapezierarbeiten) sind Handarbeit und nicht mit indus­triell ­gefertigten Produkten vergleichbar. Decken- und Wandoberflächen sind ­unter gebrauchsüblichen Betrachtungspositionen und –abständen und unter ebenso normaler Beleuchtung (Tageslicht, kein Streiflicht natürlicher oder künst­licher Art) zu beurteilen. Unregelmäßigkeiten in Oberflächenstrukturen und Ebenheit dürfen nicht augenfällig sein, ausgenommen es wurden besondere Strukturen oder Ebenheitsabweichungen vereinbart;
    
Ralf Schneider,
ö.b.u.v. Sachverständiger für das
Maler- und Lackiererhandwerk
einschließlich Putz und Trockenbau

Abbildungen: Knauf                                                                                                                 Ausgabe: 7-8/2013

Foto: kuraphoto/AdobeStock_428914080
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