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31. August 2023
Redaktion
Rohstoffversorgung

Wie viel Gips bleibt noch?

Mit dem Ende der Kohleverstromung fällt spätestens 2038 der sogenannte REA-Gips als wichtige Rohstoffquelle weg. In der Konsequenz muss wieder mehr Naturgips abgebaut werden, der in Deutschland in ausreichendem Maße vorhanden ist. Der VDPM und der BVG fordern Bund und Länder dennoch zum Handeln auf, um die Rohstoffversorgung verlässlich und nachhaltig gesichert werden kann.
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Foto: Knauf
Der Rohstoff Gips ist in Deutschland in großen Mengen vorhanden. Durch einen umweltschonenden Abbau ließe sich die Versorgungslücke langfristig schließen.

Das Kohleausstiegsgesetz (KVBG) sieht ein Ende der Kohleverstromung bis spätestens 2038, beziehungsweise optional schon bis 2035 vor. Bis dahin wird sich das Angebot an REA-Gips, welcher als Nebenprodukt der Kohleverstromung entsteht, weiterhin massiv verknappen und letztendlich komplett ausbleiben. Ein nochmaliges Vorziehen des Kohleausstiegs bis „idealerweise 2030“, wie im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vorgesehen, würde das REA-Gips-Angebot, welches derzeit ca. 40 Prozent des Rohstoffbedarfs deckt, noch schneller reduzieren.

Bund und Länder sollten Naturgips-Abbau ermöglichen

Der Vorsitzende des Bundesverbands der Gipsindustrie (BVG), Thomas Bremer, fordert daher: „Bund und Länder müssen endlich konkrete Lösungsansätze präsentieren! Wir benötigen zusätzliche Planungsflächen, um die Rohstoffversorgung mit Gips in Deutschland weiter sichern zu können.“

Auch eine umfangreiche Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz hat ergeben, dass die Versorgung mit Gipsrohstoffen über die nächsten 25+ Jahre gefährdet ist. Demnach kommt EY zu der Handlungsempfehlung, dass im Rahmen des Wegfalls von REA-Gips wieder verstärkt Primärrohstoffe in Form von Naturgips eingesetzt werden müssen.

Bremer sagte dazu: „Nun attestieren auch unabhängige Gutachter, dass die langfristige Versorgung mit unseren Gipsrohstoffen gefährdet ist und bestätigen, dass in Zukunft mehr Naturgips eingesetzt werden muss. Die Problemlage ist erkannt, nun müssen politische Taten folgen.“

Einer Bestandsaufnahme der Staatlichen Geologischen Dienste zu Gipsvorkommen in Deutschland zufolge, ist der Rohstoff Gips hierzulande in großen Mengen vorhanden. Könnten diese Vorkommen umweltschonend erschlossen werden, ließe sich die Versorgungslücke langfristig schließen. Häufig wird die inländische Rohstoffgewinnung jedoch erschwert oder verhindert. Im Bericht heißt es dazu wörtlich: „Im Vorfeld einer industriellen Nutzung sind Bund und Länder gefragt, die Erkundung neuer Gipslagerstätten zu befürworten und aktiv zu unterstützen.“

REA-Gips-Prognose
Foto: VDPM/BVG
Die zukünftige REA-Gips-Prognose auf Basis des Kohleausstiegsgesetzes (KVBG) sowie des Koalitionsvertrages 2021-2025.

Deshalb fordert die Industrie von jenen Bundesländern, in denen es nachweislich Naturgipsvorkommen gibt:

  • Eine bedarfsunabhängige sowie langfristige Ausweisung neuer Flächen für die Naturgipsgewinnung in der jeweiligen Raumordnung
  • Die grundsätzliche Ausweisung von Flächen für die Gewinnung von Naturgips unter Tage durch die Berücksichtigung in der Raumordnung
  • Feste Regelungen für die umweltverträgliche Gewinnung von Gipsgestein auch in – für die Förderung der Biodiversität sinnvollen – Teilbereichen von Schutzgebieten
  • Die Fortschreibung der dafür notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen
  • Wohnungsbauziele ohne Gips nicht erreichbar

Vor dem Hintergrund der im Koalitionsvertrag vereinbarten ambitionierten Ziele im Wohnungsbau (400.000 zusätzliche Wohnungen pro Jahr), der steigenden Notwendigkeit energetischer Modernisierungen sowie des Ausbaus und Erhalts der Infrastruktur und erneuerbarer Energien wird der Rohstoffbedarf der gipsverarbeitenden Industrien bis 2040 realistisch mindestens auf dem hohen Niveau von rund 10 Mio. Tonnen verbleiben.

Christoph Dorn, Vorsitzende des Verbands für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM), sagte dazu: „Fehlender Gips wird die Wohnungsbaupläne der Bundesregierung platzen lassen. Wir müssen dringend mehr Naturgips abbauen, andernfalls entsteht eine Versorgungslücke. Dafür braucht es die Unterstützung der Politik.“

Recycling-Gips und andere Baustoffe können den notwendigen Bedarf nicht decken

Gipsbaustoffe können grundsätzlich immer wieder recycelt werden und die Industrie führt derzeit alle verfügbaren Mengen wieder der Kreislaufwirtschaft zu. Dennoch kann Recycling-Gips die entstehende Lücke in der Rohstoffversorgung auf absehbare Zeit nicht füllen. Das liegt vor allem an der begrenzten Menge recycelbarer Gipsabfälle. Um die Potenziale des Gips-Recyclings zu heben, muss die Bundesregierung nach Ansicht der Industrie die dringend notwendige Rechtssicherheit für den Einsatz von Recycling-Gips herstellen. Aber selbst dann, wenn diese Hürden gesenkt werden, würde dies mengenmäßig nicht ausreichen, um den Wegfall von REA-Gips zu kompensieren. Auch andere Baustoffe, wie z. B. Lehm, der gleichermaßen im übertägigen Abbau gewonnen wird, können den Bedarf nicht decken, wie eine Studie der Hochschule Rosenheim belegt.

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Foto: VDPM/BVG
Die zukünftige Zusammensetzung des Gips-Rohstoffmixes bis 2040 zur Deckung des Rohstoffbedarfs, ausgehend von den Zielen des Koalitionsvertrages der aktuellen Bundesregierung (mit einem potenziellen Ausstiegsszenario bis 2030).

Zum Hintergrund

Der inländische Bedarf an Gips liegt bei insgesamt 10 Mio. Tonnen jährlich und wird fast zu 100 Prozent aus heimischen Rohstoffquellen gedeckt. Der Gips-Rohstoffmix bestand 2020 aus 60 Prozent Naturgips/Naturanhydrit sowie aus nur noch 40 Prozent REA-Gips, während in den Jahren vor dem Kohleausstiegsgesetz das Verhältnis noch umgekehrt war. REA-Gips steht für ein Nebenprodukt der Kohleverstromung (REA = Rauchgas-Entschwefelungs-Anlage). Jedes Kohlekraftwerk verfügt gemäß Bundes-Immissionsschutzgesetz über eine solche Anlage, um das im Rauchgas enthaltene Schwefeldioxid zu binden. Der so entstehende REA-Gips ist mit natürlichem Gips praktisch chemisch identisch und ebenso vielfältig einsetzbar.

Aus dem deutschen Bauwesen, welches bis zu 75 Prozent seiner Werkstoffe aus mineralischen Rohstoffen bezieht, ist der Rohstoff Gips nicht wegzudenken. Gips ist der zentrale Baustoff für die modernen klimafreundlichen Trocken- und Leichtbauweisen, die ressourceneffizientes, nutzungsflexibles, bezahlbares, brandsicheres und schnelles Bauen ermöglichen. Gipsprodukte (z. B. Gipsplatten) sind ökologisch vorteilhaft. in allen Bauten und Bauweisen vertreten und kommen bei nahezu jedem Innenausbau zum Einsatz. Gipsbaustoffe ermöglichen praxisgerechte Konstruktionen, um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Neue Wohnraumpotenziale können so durch Nachverdichtungen sowie Aufstockungen in urbanen Ballungszentren erschlossen und weitere Flächenversiegelungen vermieden werden. Aufgrund seiner besonderen bauphysikalischen Eigenschaften und der einfachen Verarbeitbarkeit lässt sich Gips nicht wirtschaftlich sinnvoll durch andere Baustoffe ersetzen.

Naturgips/Naturanhydrit ist in Deutschland ausreichend vorhanden und technisch wie ökonomisch grundsätzlich gut erschließbar. Beim Abbau von Naturgips/-anhydrit gelten in Deutschland schon jetzt weltweit die höchsten Umweltstandards und Vorgaben. Die Industrie geht bei ihren Aktivitäten oft über dieses Niveau hinaus und setzt konsequent auf hochwertige Rekultivierung und Renaturierung der Abbauflächen. Steinbrüche sind aus Sicht des NABU (Naturschutzbund Deutschland) wertvolle Ersatzlebensräume für bedrohte Pflanzen- und Tierarten. Bereits während des laufenden Gewinnungsbetriebes bieten sie Lebensräume für angepasste Artengruppen der Insekten, Amphibien, Reptilien und Vögel. Diese Prozesse werden von den Gipsherstellern in wissenschaftlich begleiteten Biodiversitätsprojekten fachlich gestützt. Die Naturgipsgewinnung und die Ziele des Naturschutzes lassen sich so harmonisch in Einklang bringen.

Foto: kuraphoto/AdobeStock_428914080
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