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11. November 2016
Redaktion

Putze - Gestern und heute

Von den Klassikern Lehm, Kalk und Gips bis zu den innovativen Entwicklungen.
Foto: Stirnemann

Zum Verputzen wurden früher baustellen­gemischte Lehm- Kalk- und Gipsputze eingesetzt. Heute werden überwiegend kunststoffvergütete, werkmäßig gemischte Mörtel verwendet. Ging es zunächst hauptsächlich um den Schutz des Bauwerks gegen Witterung und Beschädigung, die optische Gestaltung und die Egalisierung unebener Flächen, so kommen Putzen inzwischen sehr viel weitergehende Aufgaben zu. Die heute eingesetzten, überwiegend synthetischen Zusatzmittel erweitern die Eigenschaften und Möglichkeiten von Putzen beträchtlich.

1. »Klassische« Putze

Lehmputze
Lehmputze bestehen aus Lehm, Sanden und Pflanzenfasern. Untergründe waren früher Natursteine, Ziegel, vorhandene Putze und Putzträger. Insbesondere zum Ausfüllen von Gefachen wurden sie verwendet. Heute kommen Lehmputze auch auf Werksteinen, Beton, Altputz und Wandflächenheizungen zum Einsatz. Moderne Lehmputze sind oft maschinengängig. Dekorative Lehmfeinputze oder Lehmdekorputze enthalten farbige Sande, Erdpigmente und Glimmer. Auch Lehmkalkmörtel und Lehmgipsmörtel werden angeboten. Bei diesen dient der Lehm jedoch nicht als Bindemittel, sondern eher als Zuschlag und färbende Komponente. In der Verarbeitung und in den Eigenschaften ähneln sie mehr den Kalk- beziehungsweise Gipsputzen als den Lehmputzen. Lehmputze, die ähnlich wie Dispersionsputze fertig in Kübeln angeboten wurden, haben sich nicht durchgesetzt.
Kalkputze
Kalkputze können sehr unterschiedlich zusammen­gesetzt sein und damit sehr unterschiedliche Eigenschaften besitzen, von relativ weichen Luftkalkputzen bis zu hydraulisch erhärtenden Putzen mit wesentlich höherer Festigkeit. Früher wurde für Kalkputze Sumpfkalk verwendet. Heute wird im Allgemeinen pulverförmiger gelöschter Kalk bevorzugt. Dieser lässt sich leichter handhaben, besitzt jedoch eine geringere Flexibilität. Kalk hat einen guten Namen, insbesondere in der Bauwerksanierung und der Denkmalpflege. Doch nicht immer stimmen Anforderung und Wirklichkeit überein. Die Bezeichnungen sind bei modernen Kalkputzen oft irreführend. Beispiel hierfür sind die so genannten »Bioputze«, denen spezielle Eigenschaften zugeschrieben wurden, obwohl es sich lediglich um Luftkalkputze handelte.
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Gipsputze
Gipshaltige Putze werden meist dünnschichtig auf ebenen Untergründen im Innenbereich verwendet. Die ersten Haftputze, die ab etwa 1960 auf den Markt kamen, waren Gipsputze. Heute werden sie fast ausschließlich als Maschinenputze angeboten.
Zementputze
Mit der Verbreitung von Portlandzement als Bindemittel für Putze eröffneten sich neue Möglichkeiten, insbesondere bei der Bauwerksabdichtung. Eine Tabelle mit Putzarten und ihre technischen Kennwerte ist im InfoPlus (siehe Seite 28) enthalten .

2. »Innovative« Putze

2.1. Putzfunktionen
Im Laufe der Zeit wurden Putze mit Funktionen für spezielle Anwendungen entwickelt und eingesetzt. Die Anforderungen an die Zusammensetzung und die Eigenschaften solcher Putze sind nur selten durch Normen und Richtlinien geregelt. Hinweise für die Anwendung und Verarbeitung finden sich in einigen WTA-Merkblättern (WTA = Wissenschaftlich-Technische Arbeits­gemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege). Eine WTA-Arbeitsgruppe hat sich zum Ziel gesetzt, Putzfunktionen zu definieren. Auf diese Weise soll Planern und Fachunternehmen gezeigt werden, was mit Putzen erreicht werden kann und was nicht. Dadurch sollen die Anwendungsgrenzen und tatsächlichen Möglichkeiten aufgezeigt und falsche Erwartungen vermieden werden. Dieses WTA-Merkblatt mit dem Arbeitstitel »Funktionsputze« beschreibt nicht einzelne Putze oder Putzsysteme, sondern konzentriert sich auf Eigenschaften, welche Putze haben müssen, um diese Funktionen zu erfüllen. Der Gelbdruck wird für Ende 2017 erwartet. Die Tabelle rechts zeigt, welche Putzfunktionen im vorgesehenen WTA-Merkblatt angesprochen werden. (Die Tabelle ist in erweiterter Form auch im InfoPlus zu finden – siehe Seite 28.)
2.2 Funktionsputze
Hauptaufgabe von Putzen ist der Schutz der Konstruktion vor mechanischen und chemischen Belastungen sowie vor Wasser/Feuchtigkeit. An die mechanische Belastbarkeit von Putzen (Schlag, Abrieb) können erhöhte Anforderungen gestellt werden, zum Beispiel in Kindertagesstätten oder Schulen. In der Nähe von Industrieanlagen, landwirtschaftlichen Betrieben oder Küstenbereichen kann es zu chemischen Ein- und Wechselwirkungen auf Putzoberflächen kommen. Auch in Innenräumen sind nutzungsbedingte chemische Wechselwirkungen möglich. Ihre Auswirkungen können durch spezielle Putze reduziert werden. Dichtputze sind wasserhemmende beziehungsweise wasserabweisende Zementputze. Sie werden hauptsächlich im erdberührten Bereich und an Sockeln eingesetzt. Obwohl die Bezeichnung »Dichtputz« den Eindruck erweckt, diese Putze seien wasserundurchlässig, müssen sie im erdberührten Bereich zusätzlich abgedichtet werden, beispielsweise durch zementgebundene Dichtungsschlämmen. Bei der Bauwerksinstandsetzung können sich Situationen ergeben, bei denen bestimmte Putze aus ästhetischen und/oder denkmalpflegerischen Gründen erforderlich sind, ein direkter Auftrag auf dem Putzuntergrund aber nicht möglich ist. Durch eine Zwischenschicht aus Putz, der mit dem Untergrund verträglich und gleichzeitig zum Überputzen mit den gewünschten Putzen geeignet ist, kann eine stoffliche Entkopplung vorgenommen werden. Zur Verlängerung der Standzeiten von Bauteilen im Brandfall werden nichtbrennbare mineralische Brandschutzputze eingesetzt. Die Eignung von Gipsputzen für derartige Anwendungen ist seit langem bekannt. Altbaumauerwerk ist meist durch Feuchtigkeit und Salze belastet. Seit etwa 1975 werden Putze angeboten, die Salze in ihre Poren einlagern können. Opferputze werden immer nur temporär eingesetzt. Nach einiger Zeit werden sie wieder entfernt (»geopfert«). In der Bauwerksinstandsetzung und Denkmalpflege kommt den Sanierputzsystemen eine besondere Bedeutung zu. Sanierputzsysteme bestehen aus mehreren Komponenten. Porengrundputz kann Salze bei hoher Belastung vollständig aufnehmen und an den Sanierputz weitergeben. Bei diesem werden die Salze nur im hinteren Bereich eingelagert, so dass die Oberfläche trocken und frei von Ausblühungen bleibt.
Bei feuchtebelastetem Mauerwerk, insbesondere aber nach extremen Durchfeuchtungen (Rohrbruch, Hochwasser) ist eine rasche Austrocknung erwünscht. Dazu werden oft sogenannte »Entfeuchtungsputze« angepriesen. Der gewünschte Effekt ist jedoch physikalisch nicht möglich.
Sogenannte »Feuchteregulierungsputze« sollen eine trocken erscheinende Putzoberfläche trotz eines durchfeuchteten Mauerwerks bewirken. In Innenräumen kann dieser Effekt durch eine zusätzliche Regulierung der Raumluftfeuchte erzielt werden. Salze können jedoch durch diese Putze hindurch an die Oberfläche transportiert werden und dort auskristallisieren. Zur Energieeinsparung, aber auch zur Wärmeverteilung und -speicherung können Putze verwendet werden, welche die thermischen Eigenschaften der Wände beeinflussen. Wärmedämmputze verringern energe­tische Verluste von Wandkonstruktionen und sorgen so in erster Linie für die Verbesserung des Wärmeschutzes. Aber auch in Rissinstandsetzungssystemen werden sie zum vollflächigen Überarbeiten gerissener Putzflächen aufgetragen. Wärmedämmputze müssen immer mit einem Oberputz versehen werden. Wärmeleitputze beschleunigen den Wärmetransport in Innenräumen. Wärmespeicherputze können den Ausgleich von Temperaturunterschieden unterstützen, wenn es in Innenräumen zu tages- und jahreszeitabhängigen oder nutzungsbedingten Veränderungen des Temperatur- und Feuchteniveaus kommt. Antikondensputze verhindern das Kondensieren von Wasserdampf auf der Wandoberfläche, indem sie das Wasser aufnehmen und wieder abgeben, sobald das Raumklima es erlaubt. Durch die Reduktion von oberflächennahen Feuchteanreicherungen bieten sie einen Schutz vor mikrobieller Besiedlung. Um die Wasseraufnahme nicht zu beeinträchtigen, dürfen sie nicht mit Farbanstrichen oder sonstigen Beschichtungen über­arbeitet werden.Akustikputze haben durch ihre poröse Struktur ein hohes Schallabsorptionsvermögen, was die Raumakustik beeinflusst. Sie dürfen daher nicht mit porenverschließenden Farbanstrichen überarbeitet werden. Es sind auch Kombinationen mit Putzen möglich, die ­reflektierende Eigenschaften besitzen. Bei Wänden aus Mauerwerk mit nicht oder nur unvollständig vermörtelten Fugen können Schallbrücken reduziert werden, wenn ein dichter Putz aufgetragen wird. Das Verändern des Körperschalls im Mauerwerk ist jedoch durch Putze allein nicht möglich.Strahlenschutzputze (Röntgenputze, Barytputze) können das Eindringen elektromagnetischer Strahlen in Gebäude oder deren Ausbreitung aus dem Gebäude nach außen verhindern oder reduzieren. Sie werden beispielsweise in Röntgenräumen eingesetzt, um Strahlen abzuschirmen. Hochspannungsleitungen, Elektroinstallationen und Funkanlagen erzeugen elektromagnetische Felder (»Elektrosmog«). Abschirmputze werden auf die Innenseite von Außenwänden aufgebracht und sollen verhindern, dass der Elektrosmog in die Innenräume gelangt und dadurch elektrosensible Menschen sowie strahlungsempfindliche Geräte geschützt werden. Sie werden aus Gips- oder Lehmmörteln hergestellt, die leit­fähige Zusatzstoffe enthalten können. In sie wird ein elektrisch leitfähiges Gitter mit Erdung eingearbeitet. Das optische Erscheinungsbild von Putzflächen wird durch Schmutzablagerungen und mikrobielle Besiedelung beeinträchtigt. Durch speziell ausgebildete Oberflächen und durch bestimmte Mörtelzusätze kann das ursprüngliche optische Erscheinungsbild länger erhalten werden. Schmutzablagerungen auf der Oberfläche werden verhindert oder abgebaut. Genutzte Gebäude können durch Schadstoffe und Gerüche belastet sein. Es gibt Putze, die widerstandsfähig gegen die auslösenden Stoffe sind und sie sogar einlagern können. Dadurch können Luftschadstoffe abgebaut und Gerüche gebunden werden. Dies geschieht durch einen komplizierten physikalisch-chemischen Vorgang, der sogenannten Photokatalyse. Bei der Verarbeitung von Trockenmörteln kommt es oft zu unangenehmer Staubentwicklung. Inzwischen werden Produkte angeboten, deren Staubentwicklung stark reduziert ist. Dies wird nicht durch Zusatzmittel, sondern durch eine werksmäßige Behandlung der feinen Bestandteile erreicht.

3. Zusammenfassung

Zum Verputzen wurden früher baustellengemischte Putze eingesetzt, die in erster Linie das Bauwerk gegen Witterung und Beschädigung schützen und die zur optischen Gestaltung beitragen sollten. Durch gezielte Zusammensetzungen und den Einsatz von Zusatzmitteln konnten unerwünschte Eigenschaften reduziert und oft auch die Lebensdauer der Putze verlängert werden.

Ausgabe 11/2016

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