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7. Juli 2022
Redaktion

Neues Leben für ein Baudenkmal

Die umfangreiche Renovierung der Villa Raab in Alsfeld ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie umsichtige Planer und engagierte Handwerksbetriebe die anspruchsvollen Anforderungen des Denkmalschutzes erfüllen können.


Foto: Sakret

Die repräsentative Villa in französischer Palais-Architektur aus der Gründerzeit sollte nach jahrelangem Leerstand und beginnendem Verfall umfassend und denkmalgerecht saniert werden – im Rückblick ein außerordentlich gelungenes Projekt des Unternehmerpaares Ralf und Tanja Bohn. Unter der Leitung des Architektenbüros Weppler-Jungermann, der Firma Sachs Baudekoration aus Lauterbach und des Denkmalschutzes wurden Partner aus verschiedensten Bereichen koordiniert: Sakret als Systemhersteller der benötigten Baustoffe und Partner für Putz-, Maler- und Fliesenarbeiten, Spezialfirmen für die Reproduktion historischer Originalfliesen, Stuckelemente und Installations-, Glas- und Elektroarbeiten, sowie abschließend die umfangeiche Gestaltung der Außenarbeiten.

2  Das Zusammenspiel des prachtvollen Neu-Barock mit dem damals modernen Jugendstil ist im Außen- und im Innenbereich überall zu sehen und zu empfinden. Der besondere Wert des Objekts liegt in den zahlreichen, original erhaltenen Innen- und Außendetails. So z. B. die prunkvollen Außenfassaden mit ihrem reichen Schmuck an Zierelementen. Foto: Sakret

Alsfelder Schmuckstück glänzt wieder

Unübersehbar zeugte die 1904 entstandene Villa Raab in Alsfeld vom wirtschaftlichen Erfolg ihres Erbauers, des Pfeifenfabrikanten Ludwig Raab. In dem repräsentativen Wohnsitz verband der Architekt Otto Lepin die Pracht des Neubarocks mit dem damals hochmodernen Jugendstil. Glücklicherweise blieb die Villa zu großen Teilen im Originalzustand erhalten, was vor allem der Alsfelder Baugestaltungs- und Denkmalschutzsatzung aus dem Jahre 1902 zu verdanken ist – der allerersten in Hessen. Dank einer mustergültigen, denkmalgerechten Renovierung bildet die Villa Raab heute ein hervorragendes Beispiel für das gelungene Zusammenwirken von Denkmalschutz und zeitgenössischer Handwerkskunst.

3 + 4  Glücklicherweise blieb die Villa zu großen Teilen im Originalzustand erhalten und ermöglichte damit den originalgetreuen Wiederaufbau des Hauses mit den zahlreichen Einfassungen, den Stuckgesimsen und -friesen. Foto: Sakret

Besonders reichhaltige Dekoration

Der besondere Wert des Objekts lag in den zahlreichen, original erhaltenen Innen- und Außendetails. So z. B. die prunkvollen Außenfassaden mit ihrem reichen Schmuck an Zierelementen und Einfassungen, die Stuckgesimse und -friese in den Haupträumen sowie die bauzeitlichen Fliesenbeläge. Diese wertvollen, historischen Fliesen von Villeroy und Boch waren in Fluren und Treppenhaus bis auf kleinere Fehlstellen komplett erhalten.

Das gemeinsame Ziel von Bauherrn, Architekten und Denkmalschutz war, den „Originalzustand“ des Hauses wieder herzustellen. Entsprechend hoch waren daher die Ansprüche an kompetente Partner und geeignete Materialien. Unter Leitung des Architekturbüros Weppler-Jungermann aus Alsfeld wurden für die Umsetzung ausgewählte Partner und Spezialisten eingebunden: u. a. für die Putz- und Malerarbeiten die Firma Sachs Baudekoration (Lauterbach/Hessen) und für die Fliesenarbeiten die Firma Scheerschmidt und Schneider (Stadtallendorf).

5  Die Innenräume bedurften aufwändiger Vorbereitungen und Planungen, da nicht nur die Wand- und Deckengestaltung originalgetreu wieder hergestellt werden sollte, sondern auch neue Installations- und Leitungssysteme für heutige Ansprüche auszutauschen waren.  6 + 7  Der besondere Wert des Objektes lag auch in den zahlreichen Gestaltungs-Details an den Wänden und im Deckenbereich. Diese wurden meist abgetragen und saniert wieder eingefügt.  8 + 9  Heute strahlt das Alsfelder Schmuckstück detailgetreu in neuem Glanz. Gemeinsam haben der Bauherr, die Architekten, der Denkmalschutz und die kooperierenden Partner und Spezialisten den Originalzustand wieder hergestellt. „Dank einer gelungenen Teamleistung wurden die komplexen Aufgaben bestens gelöst“, freut sich der Architekt Jochen Weppler. Fotos: Sakret

Eine Herausforderung besonderer Art stellte die Ausbesserung und Ergänzung der historischen Fliesen dar. Nicht nur das historische Dekor war nachzubilden, sondern es galt auch, zeithistorische Materialien fachmännisch zu verarbeiten. Lösungen boten die Spezialfirmen Golem aus Sieversdorf bei Berlin mit Baukeramik in traditioneller Handwerksarbeit und Replicata aus Freiburg für die Reproduktion historischer Originale.

Auch an die Materialien für den Verputz und die Verlegung der Fliesen stellten sich in diesem Bauprojekt teilweise ungewöhnliche und schwierige Anforderungen. Hier konnte der Baustoffhersteller Sakret zugelassene Produktlösungen im System anbieten, die kompatibel mit den Denkmalschutzauflagen eine langlebige Nutzungsdauer gewährleisten. In der breiten Produktpalette finden sich auch Materialien wie Filzputz, Kalk-Innenputz oder Marmor-Feinspachtel, deren Beschaffenheit und Optik ideal den Anforderungen des Denkmalschutzes entsprechen.

10  Wertvolle historische Fliesen auch von Villeroy + Boch in Fluren und Treppenhäusern waren fast komplett erhalten. Foto: Sakret 11  Beim Ausbessern und Ersetzen der historischen Fliesen waren die Ansprüche an die ausführenden Firmen hoch. Foto: Sakretraab6
 12  Die Materialien zur Verlegung der Fliesen im Außenbereich müssen besonderen Anforfderungen genügen. Foto: Sakret 13  In traditioneller Handwerksarbeit wurden zeithistorische Materialien verwendet und fachmännisch eingebaut. Foto: Sakret

Aufwendige Arbeiten

Der Gesamtzustand des Gebäudes erforderte umfangreiche Vorarbeiten: So mussten teilweise durch das Mauerwerk gehende Risse verpresst sowie viele der steinernen Balkongeländer zur Restaurierung vom Steinmetz herabgenommen werden. Anschließend wurde die gesamte Fassade gesäubert und mit Klebe- und Armierungsmörtel verputzt. Darauf wurde als dekorativer Oberputz ein Filzputz mit 0,8 mm Korn aufgebracht. Für Glattflächen wie Gebäudeecken, Gewände, Fensterumfassungen usw. wurde ein Marmorfeinspachtel verwendet, mit dem Unebenheiten bis 1 cm in einem Arbeitsgang zeitsparend ausgeglichen werden konnten. Zugleich erzeugt das Marmorkorn einen angenehmen, weißen Farbton.

In den Räumen der Villa waren nicht nur alle Installations- und Leitungssysteme auszutauschen und auf den neusten Stand zu bringen, sondern durch die über Jahrzehnte eingedrungene Feuchtigkeit musste auch der komplette Wandputz abgenommen werden. Erhalten waren glücklicherweise die meisten Stuckprofile. Die Fachleute der Firma Sachs nahmen sie herab, besserten sie aus und schufen Nachbildungen der zerstörten oder fehlenden Teile.

Bei den Wänden entschied sich das Planungsteam für einen dreilagigen Aufbau aus Kalk-Innenputz als Grundputz, Kalk-Dünnlagenputz sowie einem 0,5 mm Edelfilzputz als Finish-Beschichtung. Um die alten Backsteinwände lotrecht zu verputzen, wurde der Innenputz in zwei Arbeitsgängen in einer Schichtstärke bis 7 cm mit der Verputzmaschine G4 feucht in feucht aufgetragen. Nach entsprechender Stand- und Trocknungszeit überarbeitete die Firma Sachs die Wandflächen komplett mit dem Kalkdünnlagenputz in 6 mm Stärke, bettete zur Rissvermeidung ein Armierungsgewebe ein und überzog die Wandflächen zum Abschluss mit dem feinen Edelfilzputz. Die Decken in den Räumen wurden teilweise mit einem Kalkputz vorgearbeitet und anschließend komplett mit Marmorfeinspachtel glatt verspachtelt. Darauf ließen sich die restaurierten Stuckelemente wieder problemlos anbringen.

Für die Fliesenarbeiten kamen eine Universal- bzw. Spezialgrundierung, in den Duschen, Feucht- und Nassräumen eine hochdichte, dünnschichtige und streichfähige Abdichtung sowie ein Flexfliesenkleber und -mörtel und zum Abfugen der Fliesen ein Flexfugenmörtel zum Einsatz.

Eine gelungene Teamleistung

Das Ergebnis des guten Zusammenwirkens von engagierten Ausführenden und dem Materiallieferanten sieht das zuständige Denkmalamt als Arbeitsmodell für weitere Projekte. Überzeugt äußerte sich auch der leitende Architekt Jochen Weppler zum Erfolg dieser Zusammenarbeit: „Eine wirklich gelungene Teamleistung, mit der die komplexen Vorgaben bestens gelöst werden konnten.“

Lena Remmel

 

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Foto: kuraphoto/AdobeStock_428914080
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