Neue Regeln für WDVS-Gerüste
In letzter Zeit wurde die Befestigung von Arbeitsgerüsten bei WDVS stark diskutiert. Dabei wird oft behauptet, dass es in Zukunft nur noch möglich ist, Gerüste mit Dauerankern zu befestigen. Dies stimmt nicht. In dem jetzt neu erscheinenden »Merkblatt Gerüste für Arbeiten an Fassaden mit Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS)« [1] werden alle möglichen und zulässigen Befestigungsarten aufgezählt, auf welche Arten Gerüste zu befestigen sind. Dabei werden Daueranker nur als eine Möglichkeit der Befestigung genannt.
Tschüss Ringösenschraube
Abschied nehmen müssen wir mit Sicherheit von der gewohnten langen Ringösenschraube.
Diese war zwar noch nie ohne eine konstruktive Aussteifung des Gerüstes zugelassen und entspricht auch nicht den Systemzulassungen der Hersteller. Die langen Ringösenschrauben sind nicht in der Lage, die parallel zum Bauwerk wirkenden horizontalen Ankerkräfte aufzunehmen. Je größer der Abstand zwischen Ringöse und Ankergrund wird, desto größer wird die Biegebeanspruchung für den Schaft der Ringösenschraube. Obwohl diese Tatsache bekannt war, wurde dies aber bisher immer so praktiziert und weitestgehend auch von den Aufsichtsbehörden toleriert. Mit Erscheinen des neuen Merkblattes wird diese Art der Gerüstbefestigung – also nur mit der langen Ringösenschraube > 70 mm – nur mit einer konstruktiven Aussteifung des Gerüstes noch möglich sein. Diese Ausführung ist aber sehr kostenintensiv und stellt mit Sicherheit aus wirtschaftlichen Gründen keine realistische Möglichkeit dar.
Auch das freistehende Gerüst wird nur bei Gebäuden mit einer Traufhöhe bis zu 8 m eine Möglichkeit sein – allein schon wegen des benötigten Platz- und Materialbedarfes für die Standfläche. Diese Höhe entspricht dem normalen Ein- bis Zweifamilienhaus.
So bleiben für höhere Gebäude nur noch zwei Varianten übrig:
- der konfektionierte Sondergerüstanker und
- der Daueranker.
Daueranker haben den Nachteil, dass es auf dem Markt noch keinen geeigneten Daueranker mit Zulassung gibt. Auch für den Einbau von Dauerankern geeignete Betriebe gibt es noch nicht. Dazu muss man wissen, dass der Einbau von Dauerankern von einem normalen Handwerksbetrieb nicht einfach so ausgeführt werden kann, denn beim Einbau von Dauerankern ist zu beachten, dass die zu verwendenden Befestigungsmittel über eine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) verfügen müssen. Beim Einbau der Daueranker müssen die Vorgaben der abZ bei der Verwendung der Befestigungsmittel (Dübel/Schrauben, Injektionsanker etc.) eingehalten werden. Entsprechende Verwendungsanweisungen sind zu erstellen. Die Tragfähigkeit der Verankerungen kann unter Verwendung der Technischen Baubestimmungen nachgewiesen werden. Daueranker dürfen nur mit bauaufsichtlich zugelassenen Dübeln befestigt werden.
Diese Dübel müssen in der Zulassung für den jeweiligen Verankerungsgrund geeignet sein. Da nicht jeder bauaufsichtlich zugelassene Dübel für jeden Verankerungsgrund zugelassen ist, wird es sicherlich für einen normalen Handwerksbetrieb schwierig sein, dies in der Praxis bei jedem Bauvorhaben zu prüfen und umzusetzen. Die Lebensdauer für diese Dübel beträgt 50 Jahre. Dies ist zu garantieren und auch zu dokumentieren.
Die Kosten für Gerüste mit Dauergerüstanker werden steigen. Dies allein schon deshalb, weil zuerst der Gerüstbauer sein Gerüst in der Regelausführung (Ausführung mit kurzer Ringösenschraube bis maximal 70 mm) erstellt, danach die Daueranker eingebaut werden und schließlich das Gerüst vom Gerüstbauer an den Daueranker umgeankert wird.
Sondergerüstanker
Zu diesem Arbeitsaufwand kommen noch die Kosten für den Daueranker und dessen Befestigung hinzu.
Bleiben nur noch die konfektionierten Sondergerüstanker. Zurzeit bietet zum Beispiel Layher einen konfektionierten Sondergerüstanker an, der dem Prinzip eines Dauerankers entspricht. Der Gerüstanker von Felsuma lässt sich wie gewohnt ohne größeren Aufwand einbauen. Der Nachweis über die Tragfähigkeit und die Brauchbarkeit der konfektionierten Sondergerüstanker wird durch den Hersteller erbracht, der auch die Montageanleitung vorgibt.
Mit diesen konfektionierten Sondergerüstankern wird es in Zukunft auch möglich sein, Gerüste sicher und kostengünstig zu verankern. Zu beachten ist, dass bei
einer Abweichung von der Regelausführung entsprechend der Systemzulassung des Herstellers immer die Standsicherheit nachgewiesen werden muss. In diesen Zulassungsbescheiden sind verschiedene Ausführungsvarianten des Gerüstsystems, deren Standsicherheit und Tragfähigkeit nachgewiesen sowie die Aufbau- und Verwendungsanleitung dargestellt. Auch die Vorgaben der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung sind baurechtlich verbindlich.
Der Nachweis der Standsicherheit ist deshalb nach DIN 18451 Abschnitt 4.1 immer eine Nebenleistung. Dabei ist zu beachten: Fordert der Auftraggeber die Vorlage des Standsicherheitsnachweises, ist dies eine besondere Leistung und deshalb nach DIN 18451 Abschnitt 4.2 gesondert zu vergüten.
Gerüstbeläge: 90 statt 60 cm
Auch wird es eine Umstellung der Belagbreiten geben. Eine Belagbreite von 60 cm (Breitenklasse W06) reicht nicht aus, um bei dem Einbau eines WDVS einen mindestens 20 cm breiten Verkehrsweg auf dem Gerüst zu gewährleisten. Aus diesem Grund ist eine Belagbreite von 90 cm (Breitenklasse W09) erforderlich.
Dies kann durch entsprechend dimensionierte Gerüstrahmen oder vorgelagerte Konsolen erfolgen.
Auch für die Zugänge zu den Gerüsten gilt, dass die vom Gerüstbauer zu liefernde Mindestausstattung des Gerüstes mit einem innenliegenden Leitergang je
50 m Gerüstlänge nicht mehr alleine ausreicht.
Deshalb sind für die Ausführung von Wärmedämm-Verbundarbeiten Treppentürme oder Aufzüge als Zugänge erforderlich (siehe auch TRBS 2121-1 Abschnitt 4.2, BGI 663 Abschnitt 4.5.2).
[1] Das Merkblatt »Gerüste für Arbeiten an Fassaden mit Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS), Ausgabe 2012« wird unter anderem herausgegeben von: Bundesinnung für das Gerüstbauerhandwerk, Köln; Bundesverband Ausbau und Fassade im ZDB; Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz.
Das Merkblatt soll im Spätjahr 2012 der Öffentlichkeit vorgestellt werden.