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1. Januar 2015
Redaktion

Kalkputze in der Denkmalpflege

Wie lässt sich der denkmalpflegerisch berechtigte Wunsch nach einem authentischen Kalkputz umsetzen? Autor Klaus-Gunnar Bauch geht auf die Anwendungsmöglichkeiten und Einsatzgrenzen dieses Baustoffs ein.

Kalkputze erfüllen in der Denkmalpflege eine wichtige Funktion als Geschichtszeugnis, da sie die in früheren Zeiten angewendeten Arbeits­techniken und Gestaltungsansätze in Form der ­jewei­li­gen Applikationstechnik und der verwendeten Materialien belegen. Entsprechend oft wird von Denkmalpflegern und Architekten die Verwendung eines »reinen« Kalkputzes gefordert. Den dabei aufkommenden Bauchschmerzen des ausführenden Unternehmers wird mit dem Hinweis auf einige erhaltene Putzbefunde begegnet, dass diese Kalkputze in der Vergangenheit schließlich über einhundert Jahre gehalten hätten. Bevor ich auf die baustoff­lichen Besonderheiten des Bindemittels Kalk eingehe, möchte ich auf ein Foto aus einem meiner letzten Pro­jekte auf der Festung Königstein bei Dresden eingehen. Hier konnte die historische Putzfassung aus dem frühen 18. Jahrhundert anhand von vielen wertvollen Putzbefunden nachgewiesen werden. Diese Putzbefunde belegen das Aussehen der Festung Königstein wie sie zu Beginn des 18. Jahrhunderts durch den venezianischen Maler Bernardo Bellotto genannt »Canaletto« (1722 – 1780) mehrfach gemalt wurde. Auf diesen Gemälden ist unter anderem der Zustand der Fassaden auf der Festung zum damaligen Zeitpunkt ­erkennbar.  Das genaue Alter des auf den Gemälden erkennbaren Fassadenverputzes lässt sich leider nicht ermitteln. Jedoch deuten zumindest die Eckgliederungen und die Farb­töne auf eine barocke ­Fassung hin, welche sich an den verschiedenen Gebäuden wiederholt. Alle Fassaden haben auf den Gemälden ­eine Gemeinsamkeit: Sie ­befinden sich in ­einem äußerlich geradezu erbärmlichen Zustand und zeigen alle erdenklichen ­Arten von Putzschäden. ­Offensichtlich ­befanden sich die damaligen Fassaden in einem Zustand, der dem ­barocken Repräsentations­bedürfnis nur wenige Jahre gerecht wurde und den wir heute keinesfalls akzeptieren würden.

Blick zurück

Was ist zu tun beziehungsweise wie lässt sich der denkmalpflegerisch berechtigte Wunsch nach einem authentischen Kalkputz umsetzen? Hierbei hilft zuerst der Blick in die bis zum Jahr 2005 geltende DIN 18550 Teil 1 und 2, welche der Differenzierung der Putzmörtelgruppen nach den verschiedenen Bindemitteln und ­deren Eignung besser ­gerecht wurde, als dies die heute gültige DIN V 18550 beziehungsweise DIN EN 998-1 tun. Hieraus ist einerseits ersichtlich, dass sich die sogenannten Kalkputze ­offensichtlich über die Putzmörtelgruppen P Ia (Luftkalk) bis P IIb (Kalkzementputz) erstrecken und entsprechend ihrer Bindemittelzusammensetzung unterschiedliche ­Eigenschaften haben und dementsprechend für unterschiedliche Einsatzzwecke geeignet sind. So sind die Putzmörtel der ­Mörtel­grup­pen P Ia und b hauptsächlich als Innenputze oder als Au­ßen­putze bei ­geringen Beanspruchungen in geschützten Lagen mit niedrigen Gebäudehöhen einsetzbar. Putze mit höheren hydraulischen Zusätzen der Mörtelgruppe P Ic können schon als Außenputz bei mittleren Beanspruchungen eingesetzt werden, wobei zu beachten ist, dass nur bei Werktrockenmörteln die erforderliche wasserhemmende oder wasserabweisende Ausrüstung herstellbar ist. Baustellenmischungen lassen sich nicht entsprechend der Forderung der DIN 4108-3 gegen mittlere und starke Schlagregenbelastung aus­rüsten. In der Putzmörtelgruppe P II ist bei Verwendung von hochhydraulischen Kalken und Kalk- Zement-Gemischen immerhin ein wasserhemmender Außenputz ohne Zusatzmittel herstellbar und der Putz kann bei hohen Beanspruchungen in ungeschützter Lage eingesetzt werden. Die Tabelle 2 zeigt die Zuordnung der Außenputze zu den verschiedenen Beanspruchungsgruppen.

Wirkungsmechanismus

Da der zunehmende Hydraulenanteil maßgeblich die ­Widerstandsfähigkeit des Außenputzes gegen Feuchte­beaufschlagung erhöht, soll hier kurz der Wirkungsmechanismus wiedergegeben werden: Je nach Art des verwendeten Baukalkes wird von einer karbonatischen ­beziehungsweise von einer ­hydraulischen Erhärtung des Putzes gesprochen. Die ­Bindemittel können rein oder gemischt vorkommen. Während die karbonatische Erhärtung den Kohlendioxid der Luft beim Abbindeprozess benötigt, können ­hy­drau­lische Bindemittel auch unter Wasser erhärten. Beide Prozesse können bei entsprechenden Bindemittel­anteilen parallel ablaufen. Soll nun eine Fassade entsprechend historischem ­Befund mit einem Kalkputz mit möglichst reinem Bindemittel verputzt werden, so ist unbedingt die objektspezifische Feuchtebelastung zu ermitteln. Ein überwiegend karbonatischer Erhärtungsprozess kann auf einer ­dauerfeuchten Fassade nicht stattfinden und würde Putzschäden nach sich ziehen. Zur Beurteilung der Schlagregenexpositionsklasse kann die bundesweite Übersichtskarte nach DIN 4108-3 zu­rate gezogen werden und es sollte die Gebäudehöhe ­beachtet werden. Die Schlag­regenbeanspruchung nimmt in Abhängigkeit von der Gebäudehöhe überproportional zu und kann schnell das 20-Fache der ­Beanspruchung in zwei ­Meter Höhe erreichen.

Feuchtequellen ausschließen

Wer nun glaubt, die Feuchte­beaufschlagung der Fassade anhand der Schlagregen­expositionsklasse und der ­Gebäudehöhe richtig ermittelt zu haben, sollte vor der Entscheidung für einen möglichst reinen, also karbonatisch erhärtenden Kalkputz, weitere Feuchtequellen ausschließen. Hierzu gehören:

  • aufsteigende oder seitlich ins Mauerwerk eindringende Feuchte
  • hygroskopische Feuchte aufgrund erhöhter Salz­belastung
  • Baurestfeuchte
  • Kondensatbildung in temporär genutzten Räumen (Kirchen)
  • Erhöhte Gleichgewichtsfeuchte des Mauerwerksbaustoffes

Erst nach Ausschluss dieser Feuchtefaktoren sollte die Entscheidung für einen zum Großteil karbonatisch erhärtenden Kalkputz getroffen werden. Der Planungsaufwand für derartige Kalkputzfassaden lohnt sich in vielerlei Hinsicht. Einerseits gewährleisten die Kalkputze aufgrund ihrer hohen Porosität und aufgrund des ­geringen Wasserdampfdif­fusionswiderstandes bei gleichzeitig hohem kapillaren Saugvermögen das schnelle Befeuchten und Abtrocknen der Fassade bei Beregnung, was der Veralgung ent­gegenwirkt. Gleichzeitig bieten die Kalkputze eine größtmögliche Denkmalverträglichkeit mit authentischen Putzoberflächen.

Foto: kuraphoto/AdobeStock_428914080
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