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9. Mai 2022
Redaktion

Einblasdämmung hat Potenzial

Bis 2030 ist es nur noch ein Lidschlag und auch das Jahr 2050 bald erreicht. Die Suche nach neuen Wegen zur Erreichung der Klimaschutzziele hat begonnen. Eine Technik zu einer schnelleren Ausschöpfung der Einsparpotenziale kann die Einblasdämmung sein.

Fotos: Fachverband Einblasdämmung; Grafik: Energieinstitut Hessen

Handwerksbetriebe des Ausbaus könnten ihr Angebot schnell darauf erweitern, Stuckateur- und Malerbetriebe die Kerndämmung zweischaligen Mauerwerks mit ins Portfolio nehmen. Das Energieinstitut Hessen hat jetzt in einer Studie untersucht, welchen Beitrag die Einblasdämmung zur Kosten- und CO2-Einsparung im Wohngebäudebestand leisten kann.

Die Einblasdämmung verbindet Energie- und Kosteneinsparung auf eine neue Weise. Das macht sie für den Wohngebäudebestand interessant. Diese Dämmtechnik kann im Wohngebäudesektor mithelfen, ein Heizenergieeinsparpotenzial von 185 TWh pro Jahr oder 41 % des Heizenergieverbrauchs aller bis 2009 errichteten 18,2 Mio. Wohngebäude zu erschließen. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Energieinstitutes Hessen im Auftrag des Fachverbandes Einblasdämmung, die hier zum download bereitsteht: https://www.fved.net/. Als „niedrigin-vestives Verfahren“ hilft die Dämmtechnik bei einer sozialverträglichen Modernisierung des Gebäudebestandes. Ihre größten Potenziale liegen in 14 Anwendungsbereichen (Grafik 1) mit den folgenden Schwerpunkten:

  • zweischalige Außenwände mit Hohlschicht,
  • Dachschrägen, Kehlbalkenlagen und Abseitenräume beim Steildach,
  • Dachböden,
  • belüftete Flachdächer,
  • Gebäudetrennwände,
  • Kellerdecken mit unebenen Untersichten.

In ihren Einsatzbereichen ist sie teils konkurrenzlos, teils steht sie im Wettbewerb mit den herkömmlichen Dämmverfahren. Der Grund hierfür: Die Einblasdämmung erschließt keine neuen, sondern die bereits vorhandenen Einsparpotenziale besonders schnell, kostengünstig und minimalinvasiv in der Ausführung. Mit schlankem Produktionsaufwand hergestellte Dämmstoffe werden rationell über Schläuche in oder auf wärmetauschende Bauteile geblasen, wo ihr Einsatz in Hohlschichten und nicht nutzbaren Räumen den Aufwand für teure Abdeck-schichten meist vermeidet, auch komplizierte Geometrien werden lückenlos gedämmt. Zum Kostenvorteil treten kurze Ausführungszeiten, die geringe Belastung der Bewohner durch die Bauarbeiten, die Recyclingfähigkeit der Dämmstoffe und ihre geringen energetischen Amortisationszeiten hinzu. Hervorzuheben ist die jederzeit mögliche Ergänzung durch eine Außendämmung. Deren Dämmdicke kann infolgedessen geringer ausfallen und ihre Funktionsfähigkeit anhand der vorab verschlossenen Hohlräume im Bauteil sichergestellt werden.

Endenergie-Einsparpotenzial Einblasdämmung Das Endenergie- Einsparpotenzial eröffnet neue Möglichkeiten.

Kerndämmung der Außenwände

Seit dem 19. Jahrhundert werden Außenwände aus Gründen des Regenschutzes zweischalig mit 6-10 cm dicker Luftschicht hergestellt. Der Anteil der „Hohlmauern“ liegt im Bundesdurchschnitt bei 30 % aller Wohngebäude, in Norddeutschland sind sogar 60 % aller Außenwände hohlschichtig. 3,5 Mio. Wohngebäude mit dieser Wand-bauart sind noch ungedämmt. Die Kerndämmung der Luftschicht erschließt ein Einsparpotenzial von 13 % am Raumwärmeverbrauch der Wohngebäude. Sie wird in den Niederlanden mit staatlicher Förderung schon seit 1977 erfolgreich durchgeführt. Zum Einsatz kommen meist hydrophobe Dämmstoffflocken aus Glas- und Steinwolle. Fachbetriebe endoskopieren zunächst die Wand und sorgen für eine sorgfältige Verfüllung. Die erreichbaren Ziel-U-Werte liegen zwischen 0,3 und 0,4 W/(m²K).

Für eine Einblasdämmung stehen 13 unterschiedliche Dämmstoffarten zur Verfügung, so kann für jedes Projekt eine Optimale Lösung gefunden werden.

Die Dämmtechnik steht in keiner Konkurrenz zu einer späteren Außendämmung, denn die Füllung der Luftschicht verhindert deren Hinterströmung mit kalter Außenluft. Beide Verfahren erreichen nur zusammen den optimalen Wärmeschutz. Bundesweit liegt das Einsparpotenzial durch Kerndämmung von Außenwänden bei 57 TWh pro Jahr. Dabei ist berücksichtigt, dass rund ein Drittel der Wände bereits gedämmt wurden. Die Amortisationszeit von nur 3 Jahren wird durch die 20-prozentige Förderung nach GEB weiter verkürzt.

Einblasdämmung in Dächer

Die Einblasdämmung belegt in Steil- und Flachdächern noch einmal das gleiche Potenzial. Rund 13 % oder 59 TWh pro Jahr würden durch das smarte Dämmverfahren ausschöpfbar sein. Dabei stehen zur Verfügung:

  • Steildachschrägen mit dem Thermo-Bag-Verfahren
  • Kehlbalkenlagen Aufblasdämmung begehbar oder nicht begehbar
  • Abseitenräume
  • Dachböden begehbar oder nicht begehbar
  • Belüftete Flachdächer mit oder ohne Umkehrdach

Schnell und kostengünstig dämmen

Noch immer hält sich das Vorurteil, dass Dämmung teuer sein muss. Das Gegenteil ist der Fall, eine Einblasdämmung kann zügig und kostengünstig umgesetzt werden, wie eine Studie zeigt. Die Einblasdämmung wird mittlerweile von 500 Firmen bundesweit ausgeführt, deren Zahl schnell hochgefahren werden könnte. Denn die Ausführungsart, Dämmstoffe über einen Einblasschlauch in zweischalige Außenwände, Innendämmungen, Dächer, Gebäudetrennwände schnell erlernbar und anlernbares Personal ist kein Engpass. Auch die Ausführung dauert meist nur einen halben bis einen Tag. Die Kosten sind gering, zudem gibt es meist die 20-prozentige Bundesförderung. Eine Studie des Energieinstitutes Hessen beweist nun, die Einblasdämmung hat auch Potenzial. Rund 185 TWh Heizenergie könnten pro Jahr damit für immer eingespart werden, entsprechend 59 Mio. Tonnen CO2, bei möglichen 2,5 Mrd. m² Gebäudehüllfläche. Die Investitionskosten zahlen sich im Durchschnitt nach 8 Jahren zurück und liegen pro saniertem Bauteil bei Einfamilienhäusern ohnehin bei max. 4.000 EUR. Auch die Wohnungswirtschaft kann ihre Dachböden, Kehlbalkenlagen, ungedämmten Dachschrägen und unebenen Kellerdecken kostensparend und Mieten entlastend damit dämmen. Die Einblasdämmung hat mit ihren Stärken das Zeug, zu einer Schlüsseltechnologie für die Beschleunigung der Wärmewende zu werden: Funktionierend, einfach, schnell ausgeführt, bezahlbar und kompromisslos ökologisch. Der Fachverband Einblasdämmung bietet die Studie auf seiner Internetseite zum download: https://www.fved.net/  
Arnold Drewer, Geschäftsführer FVED

Eine Kehlbalkenlage ist bei einer Einblasdämmung nicht begehbar.

Steildächer

Fast 0,9 Mrd. m² Dachflächen warten noch auf eine Wärmedämmung. Nach der Art der Einblasdämmung gliedert sich das Steildach in Dachschrägen, Abseiten und Kehlbalkenflächen sowie unbeheizte Dachböden. Deren Flächen sind mittlerweile zu 45-61 % in unterschiedlichen Qualitäten gedämmt. Häufig verläuft die Dämmung zwischen oder auf den Sparren über die unbeheizte Abseite und den Spitzboden hinweg. Damit verdoppelt sich die wärmetauschende Fläche gegenüber einer Anordnung der Einblasdämmung auf Dachböden, Kehlbalken und Abseitenräumen, welche dort direkt beheizte und unbeheizte Bereiche trennt. Der Dämmstoff wird in einer Dicke von 40 cm in Abseiten und auf Kehlbalken ein- bzw. aufgeblasen. Ist ein neuer begehbarer Fußboden erforderlich, kann er auf Dämmhülsen oder Stegträgern aufgebaut und der Hohlraum mit Dämmung verfüllt werden. Das reine Aufblasen kostet rund 30 EUR/m², zusammen mit einem zusätzlichem Fußbodenaufbau 45-60 EUR/m².

Eine offene Trennwandfuge mit Blick in den Hof. Im Bundesdurchschnitt sind 38 % der Dachflächen unbeheizte Dachböden, die zu 45 % bereits gedämmt wurden. Für die ungedämmten 55 % oder 497 Mio. m² ist die Einblasdämmung die kostengünstigste Art des Wärmeschutzes und ermöglicht den Passivhausstandard dieses Bauteils. Die Dämmstoffe werden bei nicht genutzten Dachböden ohne Deckschicht aufgeblasen. Ist eine Begehbarkeit erforderlich, wird eine Laufspur angeordnet oder die gesamte Fläche erhält eine Aufständerung aus OSB-Platten.

Die Flächenanteile der Sparren über dem beheizten Dachbereich benötigen auch bei künftiger Aufsparren-dämmung eine Dämmfüllung, um Kaltluftströmungen im Sparrenzwischenraum zu unterbinden. Hier ermöglicht das „Thermo-Bag“-Verfahren ein Einblasen von Dämmstoff in Kunststoffschläuche, nachdem sie zwischen den Sparren heruntergelassen wurden. Durch diese Dämmtechniken am Steildach und auf Dachböden können 55 TWh pro Jahr oder 12 % des Heizenergieverbrauchs der 18,2 Mio. betrachteten Wohngebäude eingespart werden.

Ein verkleideter Luftzwischenraum der Haustrennwände. In Kombination mit dem folgenden Bild An den rund 1,6 Mio. Wohngebäude mit Flachdach sind noch 35 Mio. m² nicht auf neuem Dämmstandard. Bei geschoßwohnbauten ermöglicht der hohe Belüftungsraum der „Kaltdächer“ das Aufblasen von Dämmstoffflocken von 30-40 cm dicke auf die alte Dämmung bei Beibehaltung der Belüftung. Diese Vorgehensweise verzögert die Entsorgung des alten funktionsfähigen Dämmstoffs um mehr als 50 Jahre. Die Ausführungskosten liegen bei 20-25 EUR pro m² für Dämmdicken von 30-40 cm. Mit dem damit erreichten physikalischen Optimum von 0,1 W/(m²K) entfällt zukünftig jeglicher Nachrüstbedarf beim Wärmeschutz. Bei den Reihen- und Einfamilienhäusern ist der Luftraum knapper bemessen, hier passen noch weitere 6-8 cm hinein oder man startet durch zu einer Kombination von Umkehrdache und Vollfüllung des Belüftungsraumes und läutet damit auch das Ende diffusionsbedingter Feuchteprobleme ein. Fast 4 TWh pro Jahr sind mit dieser Technik einzusparen.

Kellerdecken

32 TWh pro Jahr oder 7 % des Heizenergieverbrauches aller Wohngebäude können durch Keller- und Kriechkellerdeckendämmung noch eingespart werden. Hier konkurriert die Einblasdämmung mit den Plattendämmstoffen. Allerdings ist sie ideal, wenn unebene Deckenflächen und Decken mit vielen Rohrleitungen gedämmt werden müssen. Zunächst wird eine abgehängte neue Deckenuntersicht angebracht und in den Hohlraum Dämmstoff eingeblasen. Die einzige Möglichkeit, solche Situationen künftig ohne Kompromisse zu dämmen.

In den Focus rückt die Studie auch die Kriechkeller. Die Aktivierung ihrer 210 Mio. m² noch dämmbarer Fläche benötigt künftig eine Ansprache bei Hauseigentümern, denn dieses Bauteil ist meist „vergessen“. In Holland und England ist die Kriechkellerdämmung bereits ein Geschäftszweig des Handwerks. Von PU-Sprühdämmung bis hydrophoben Dämmgranulaten ist alles möglich.

Gebäudetrennwände

Völlig unterschätzt und ebenfalls vergessen sind Gebäudetrennwände, noch heute gehen im Neubau rund 11 % des Dämmstoffabsatzes in diesen Anwendungsbereich. Bis in die 1980ziger Jahre blieb die Luftschicht zwischen den dünnen Gebäudetrennwänden ungedämmt und steht mit der Außenluft in Verbindung. Eine Einblasdämmung verbessert Schall- und Wärmeschutz gleichermaßen und macht die Wände wärmetechnisch betrachtet adiabatisch, indem pro gedämmter Luftschicht die Wärmeverluste der Trennwände von jeweils zwei Häusern auf null sinken. Die Kosten liegen bei 15-20 EUR pro m². Das gesamte Einsparpotenzial unter Berücksichtigung nicht dämmbarer Trennwände, z.B. von Betonbauten und Gebäuden vor 1949, liegt bei 18,2 TWh pro Jahr oder 4 % des Heizenergieverbrauchs aller Wohngebäude. Die Dämmung von Gebäudetrennwänden ist hoch wirtschaftlich und amortisiert sich innerhalb von 3 Jahren. Dämmstoffe für die Einblasdämmung

Für die Einblasdämmung stehen mindestens 13 Dämmstoffarten zur Verfügung (Tabelle). Je nach technischer Anforderung verteilt sich ihr Einsatz auf die Bauteile, z.B. hydrophobierte Dämmstoffe für Kern- und Kriechkellerdämmung, Flocken für die Kerndämmung, Granulat auch für dünnere Luftschichten. Die Dämmstoffe verfügen über eine Zulassung. Ihre unaufwändige Herstellung ermöglicht einen geringen Preis: Für einen Bauteil-U-Wert von 0,2 W/(m²K) entsprechend Dämmdicken zwischen 7 und 20 cm fallen Dämmstoffkosten von 10-30 EUR an. Damit kommt auch der Passivhausstandard im Bestand an vielen Bauteilen zu günstigen Preisen in Sicht.

Die ökologische Bewertung zeigt: Die Energieeinsparung übertrifft den Primärenergie- und CO2-Aufwand bei der Herstellung innerhalb weniger Monate. Nur in Sonderfällen beträgt die energetische Amortisation etwa 1 Jahr, während die Lebensdauer der Dämmstoffe bei 50 und mehr Jahren liegt. Das Verhältnis von mindestens 1:50 wird im Altbau noch um eine Gutschrift für einen vermiedenen Ersatzneubau erhöht, denn ohne Wärmedämmung haben unsere Altbauten schon wegen der heutigen Behaglichkeitsansprüche keine Zukunft.

Funktionierend, einfach, bezahlbar, sozialverträglich und kompromisslos ökologisch bietet dieses Verfahren die Chance, der dringend erforderlichen Effizienzsteigerung im Gebäudesektor als Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz erneuerbarer Energien in der Gebäudeheizung Schub zu verleihen. Verlieren die Außenbauteile kaum mehr Heizenergie, steigt die Behaglichkeit statt der Warmmieten. Eine wichtige Botschaft in Zeiten des Klimawandels.

Werner Eicke-Hennig

 

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