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1. Juni 2023
Wolfram Hülscher

Auf den Nachwuchs zugehen

Heinrich Walther ist Stuckateur mit Leib und Seele. Wie viele seiner Kollegen, treibt auch den Inhaber eines Betriebes aus Kaarst in NRW die Frage nach der Zukunft des Stuckateurhandwerks um. Warum es ihm gelingt, junge Menschen zu begeistern und was seine persönliche Erfolgsphilosophie ist, erklärt er im Interview mit ausbau+fassade.
Fotos: Wolfgang Walter Photography

Herr Walther, immer wieder hören wir, dass das Stuckateurhandwerk Probleme hat, junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen. Woran liegt das?

Da sehe ich die Antwort sowohl in der Gesellschaft als auch als hausgemacht. Grundsätzlich würde ich sagen, dass das Handwerk kein so angesehenes Image hat wie ein Studium. Dort muss man unbedingt Aufklärungsarbeit leisten und den jungen Menschen abholen. Damit meine ich, die entsprechenden Organisationen wie Kammern, Innungen, aber auch die Betriebe müssen den Menschen zeigen, dass das Handwerk modern ist und viel zu bieten hat. Es ist gerade in Kombinationen mit weiteren Bildungswegen, wie beispielsweise einem dualen Studium oder dem Betriebswirt, Meisterausbildung, sehr attraktiv und bietet so viel. Natürlich hat es auch mit Arbeit, körperlicher Arbeit zu tun. Auch da muss aufgeklärt werden und den jungen Menschen klar dargestellt werden, wie ein Arbeitstag im Handwerk aussieht.

Dabei würde ich die einzelnen Unternehmen in die Pflicht nehmen, um aus der Praxis zu erzählen.

Bei Ihnen scheint das anders zu sein. Ihnen ist es gelungen, einen Lehrling aus dem Berufsorientierungsjahr zu übernehmen, warum entschied er sich, bei Ihrem Unternehmen zu bleiben?

Man muss rausgehen und initiativ werden. Auf den jungen Menschen zugehen. Das habe ich gemacht. Wo kann ich sie abholen? Und natürlich muss man auch sagen, dass die Zeiten sich geändert haben und man auch aus Gründen des demografischen Wandels wirklich versuchen muss den Azubi in spe so zu nehmen wie er ist. Man findet keinen perfekten Auszubildenden und man muss richtig investieren. Ich habe mir überlegt, wo gibt es Menschen die arbeiten wollen und können, aber vielleicht etwas Orientierung brauchen. Da stieß ich auf die Organisation der Berufsorientierung und konnte Paul für ein begleitendes Praktikum begeistern. Nun entschied er sich bei uns eine Ausbildung zu beginnen. Das war eine tolle Möglichkeit für beide Seiten sich auszuprobieren, bevor man den Schritt geht in eine Zukunft mit Ausbildung und Vertrag. Ich habe ihn gefragt, was denn seine Alternative wäre und er sich überlegt hat wo er in fünf Jahren stehen möchte. Er antwortete als Alternative wäre ein Job im Lager bei Rewe und er möchte in fünf Jahren eine Ausbildung gemacht haben und bei mir arbeiten, ja und vielleicht auch dann eine Familie gründen. Da war mir klar, er muss eine Chance bekommen.

Sie bilden auch eine Frau als Lehrling aus. Wie erklären Sie sich, dass Frauen am Bau noch immer unterrepräsentiert sind?

Ja, und da freue ich mich sehr darauf. Ich kann mir das richtig gut vorstellen, eine bunte und durchgewürfelte Truppe zu haben, wo jeder seine Eigenart und Spezialität hat. Dörte wird unsere Firma bereichern. Frauen in sehr körperlich anstrengenden Berufen sind eher selten und wir haben auf dem Bau eine echt miese Quote. Aber auch bei diesem Punkt wieder ist es so, dass unbedingt aufgeklärt werden muss. Es gibt mittlerweile so viele Aspekte in den Handwerksberufen, so dass jeder oder jede einen Schwerpunkt haben kann und sich in seiner Nische weiterentwickeln kann.

Auch hier heißt es wieder mit Augenmaß an die Ausbildung gehen und Stärken stärken!

Welche Aktionen unternehmen Sie, um junge Menschen für das Handwerk zu begeistern?

Um junge Menschen für das Handwerk zu begeistern, lasse ich sie mal „hinter die Kulisse schauen“. Das bedeutet, ich nehme sie mit und zeige ihnen über die Socialmediakanäle ein bisschen unseren Alltag. Also wir machen nicht so abgehobene Dinge wie eine Kartbahnfahrt oder Drachenfliegen, weil ich meine, dass es schon ein wenig mit unserem Beruf zu tun haben sollte. Da organisiere ich eine private Führung in einem Barockschloß oder in einer stuckverzierten Kirche, oder ein schönes Abendessen, bei dem sich mal auf einer anderen Ebene austauschen. Wichtig für mich ist, dass der Teamspirit stimmt, man aufgeschlossen ist gegenüber den jungen Menschen und sich für sie interessiert.

Um junge Menschen für das Handwerk zu begeistern, lasse ich sie mal „hinter die Kulisse schauen“.

Heinrich Walther
Stuckateur

Wie wichtig sind berufsbegleitende Schulungen für Lehrlinge bei Ihnen?

Na das ist ja klar, sie sind natürlich sehr wichtig. Fort- und Weiterbildung ist fundamental. Ich nehme mich da auch nicht aus. Ob es Produktschulungen sind, da nehme ich meine Mitarbeiter immer mit, oder andere Fortbildungsmaßnahmen, das ist alles äußerst wichtig, um immer auf dem Stand der Technik und dem modernen Handwerk zu sein. Und die Maßnahmen, wie Berufsorientierung, Berufsförderungen, Hilfsprogramme, Sprachunterricht für die einzelnen Berufe, weiter Hilfspakete, bis zur Wohnungssuchehilfe für Emigranten, die hier arbeiten wollen, sind hier in Deutschland schon einzigartig und sehr hilfreich. Das muss man sich mal klarmachen, dass hier die Kammern und Innungsverbände, Jobcenter, großartige Arbeit machen. Das gibt es nicht im europäischen Ausland in der Form und Ausprägung.

Was raten Sie Stuckateurunternehmen, welchen es nicht gelingt Lehrlinge zu gewinnen?

Dieses Interview lesen (haha)! Nein, Spaß beiseite. Es ist heute essentiell einen gewissen Aktionismus zu entwickeln und auf die Aspiranten zuzugehen. Man sollte vielleicht mal hingehen und sich Gedanken machen, was mein Betrieb oder ich als Unternehmer zu bieten habe. Jeder Betrieb hat etwas Besonderes, ob es der Teamgeist ist, die Kollegen, die einzelnen Schwerpunkte oder einfach der Humor beim Arbeiten in der Truppe. Und es dann anschließend zeigen und zwar dort wo es gesehen wird. Das ist nun mal heute das Internet. Das ist der eine Punkt und ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Institutionen, wie Kammern und von Jobcentern installierte berufsorientierende Maßnahmen. Informieren, Ansprechen, darauf Zugehen!

Fugenlose Oberflächen sind eines Ihrer Stärken, welche Vorteile bieten Sie?

Ja, wir haben uns seit Jahren darauf spezialisiert. In erster Linie ist es einfach ein tolles Raumgefühl, wenn Sie, gerade auch in kleineren Räumen wie beispielsweise WC oder Diele, keine Fugen/Linien haben und die Flächen ineinander übergehen. Dann gibt es ganz viele praktische Vorteile, kaum Pflegeaufwand, keinen Schimmel (hoher ph-Wert), bei natürlichen Oberflächen wie Kalkspachtel haben wir eine luftreinigende Funktion, eine riesige Auswahl an Farben und Strukturen, eine fast schon erotische Haptik, trendige Optiken wie Beton, Rost, Metall, fast alles ist möglich und kann individuell gefertigt werden. Böden und Treppen in fugenloser Ausführung bieten ein wohltuendes Raumgefühl und haben im Gegensatz zu Naturstein oder Fliesen eine angenehme Fußwärme.

Sie arbeiten nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch auf Mallorca oder Ibiza, wie kommen Sie an diese Aufträge?

Die Anfrage kam vor einigen Jahren von der Handwerkskammer Dortmund, ob ich nicht im Rahmen einer Unternehmerreise einige Kontakte auf der Insel kennenlernen möchte.

Ich sagte mir damals, warum nicht? Mittlerweile machen wir das regelmäßig und haben vor gut einem Jahr mit einigen anderen Gewerken einen Showroom in llucmajor/Mallorca installiert, mit fester Besetzung. Die Nachfrage steigt und wir arbeiten dann projektbezogen vor Ort.

Es gibt auf der anderen Seite hier in unserer Kundschaft deutsche Immobilienbesitzer, die auch Finkas auf den Inseln haben und sehr dankbar sind, dass wir anbieten können ihnen dann auch in Spanien zu helfen. Das beruht alles auf Vertrauen, das aufgebaut und immer wieder bestätigt werden muss.Was ist bei der Ausbildung für den Nachwuchs besonders wichtig?

Meiner Meinung nach ist es das Wichtigste sich für ihn wirklich zu interessieren und die Interessenten mitzunehmen. Sie zu akzeptieren und zu respektieren. Viele erwarten immer noch den perfekten Azubi/Azubine, nein heutzutage muss man auch schon etwas bieten, um an Nachwuchs zu kommen. Es muss nicht direkt ein Firmenhandy, Laptop oder sogar ein Auto sein. Natürlich muss ich ihm auch zeigen, dass das Handwerk modern ist, also neue Maschinentechnik einsetzen, moderne Arbeitskleidung bieten, vernünftige Arbeitszeiten regeln, Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten, interessante Aufgaben stellen, aber vor allem der Teamspirit und gegenseitiger Respekt ist für mich wichtig.

Seien Sie so freundlich und vervollständigen Sie diesen Satz, „Ich bin bis heute ein begeisterter Stuckateur, weil …“

… ich so unendlich viele und großartige Möglichkeiten habe kreativ und aktiv zu sein.

Foto: kuraphoto/AdobeStock_428914080
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